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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin
Autoren: Maxime Chattam
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leuchteten das Gestrüpp um sie herum ab. Tobias zuckte zusammen und brachte vor Überraschung und Angst den Mund nicht mehr zu.
    »Ein Stelzenläufer«, raunte Matt und packte den Griff seines Schwerts.
    Die beiden gleißenden Strahler glitten über den Baumstamm hinweg, unter dem sie sich versteckten, und suchten weiter den Boden ab.
    »Er hat uns nicht bemerkt«, flüsterte Matt hoffnungsvoll.
    »Was ist das?«, fragte Ambre schaudernd.
    »Die Leibgarde des Torvaderon. Sie haben Augen wie Scheinwerfer. Der Stelzenläufer darf uns auf keinen Fall sehen, sonst ruft er sofort die anderen, so war es bisher jedes Mal. Rührt euch nicht vom Fleck!«
    Eine drei Meter hohe Gestalt in einem langen schwarzen Kapuzenmantel trat in die Mulde vor dem entwurzelten Baum. Eine ihrer Stelzen bohrte sich direkt vor der Nase der drei Freunde in den Boden. Sie war von einer dicken milchfarbenen Haut überzogen und lief in drei daumenähnliche Stummel aus, die sich zur Stabilisierung in die Erde krallten.
    Matt legte Ambre die Hand über den Mund, damit sie nicht aufschrie.
    Die Scheinwerfer trafen auf die Reste des Feuers, das Tobias am Vortag geschürt hatte.
    Der Stelzenläufer stieß einen lauten, klagenden Ruf aus, der an den Gesang eines Wals erinnerte, und aus der Ferne erschallte über den Lärm des Gewitters hinweg eine Antwort. Kurz darauf stapfte mit riesigen Schritten ein zweiter Stelzenläufer herbei und stürzte schneller als ein sprintender Mensch auf den Lagerplatz zu. Eine Hand mit unendlich langen Fingern glitt aus dem Mantel hervor und betastete die erkalteten Holzscheite, während sein bläulich schillernder Arm, wie von einem seltsamen Teleskopmechanismus bewegt, immer länger wurde.
    »Ssssssch, da! Sssssssssch … Er war hier!«, fiepte das Wesen mit einer Fistelstimme, die im Unwetter kaum zu vernehmen war.
    Drei Blitze schlugen kurz hintereinander in der erloschenen Feuerstelle ein und ließen Funken aufsprühen. Plötzlich ließ der Regen nach, der Wind legte sich, und auf einmal fielen keine Tropfen mehr vom Himmel. Ein Nebelteppich waberte durch den Wald. Dann glitt lautlos eine längliche, schwarze Form zwischen den Bäumen hervor.
    Von ihrem Versteck aus konnten die drei Freunde nichts Genaues erkennen, doch Matt wusste, dass sie den Torvaderon vor sich hatten.
    Der Nebel ringelte sich um die Stelzenläufer, und die Form schwebte ganz dicht an den Unterschlupf heran.
    »Hier … mein Gebieter … Sssssch, hier … er war hier! Sssssch …«
    »Ich will ihn haben!«, fauchte eine heisere Stimme. »Findet ihn! ICH WILL IHN HABEN !«
    Der Schrei hallte durch die Nacht, und selbst der Nebel zuckte dabei zusammen.
    Die beiden Stelzenläufer staksten weiter und leuchteten das Gebüsch ringsum mit ihren Scheinwerfern aus.
    Sie gehen nach Süden,
stellte Matt fest.
    Drei weitere Stelzenläufer folgten, dann noch zwei.
    Die schwarze Form glitt davon und verschmolz mit der Nacht.
    Sofort setzte der Sturzregen wieder ein, und der Wind pfiff ihnen um die Ohren.
    Matt seufzte erleichtert.
    »Das war knapp«, sagte er.

2. Verpflegung
    N ach einer weiteren halben Stunde zog das Gewitter Richtung Süden weiter und ließ eine tropfende, wohlduftende Natur hinter sich. Die Morgensonne vertrieb mit ihren ersten hellen Strahlen die dunklen Schatten der Nacht, und auch der Wind legte sich endlich.
    »Ich muss mich bei dir entschuldigen«, sagte Ambre zu Matt. »Du hattest recht.«
    »Jetzt weißt du, dass er uns auf den Fersen ist. Los, kommt, wir müssen weiter, ehe sie umkehren.«
    Die drei beluden Plusch mit ihren Sachen und stiegen auf einen Hügel, von dem aus sie den Wald überblicken konnten. Zehn Kilometer weiter südlich sahen sie dicke schwarze Wolken und Blitze, die über eine grasbewachsene Ebene zuckten. Das Gewitter bewegte sich im Zickzack voran, wie ein Jäger, der die Fährte seiner Beute aufzunehmen versucht.
    »Ich schlage vor, dass wir einen großen Bogen Richtung Westen machen«, verkündete Matt. »Dabei verlieren wir zwar Zeit, aber wenigstens bleiben wir so einigermaßen in Deckung.«
    »Warum gehen wir nicht einfach geradeaus weiter und behalten den Sturm im Auge?«, fragte Tobias.
    »Früher oder später werden sie wieder kehrtmachen. Wenn sie ein paar Stunden erfolglos nach Spuren von uns gesucht haben, werden sie darauf kommen, dass wir nicht vor ihnen, sondern hinter ihnen sind. Schau mal, wie die Gewitterwolken sich bewegen, sie verhalten sich wie eine Meute jagender Hunde. Irgendwann
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