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Alterra. Im Reich der Königin

Alterra. Im Reich der Königin

Titel: Alterra. Im Reich der Königin
Autoren: Maxime Chattam
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sich dem Ende zu, als die drei beschlossen, ihr Nachtlager in einer Mulde am Fuße eines kleinen Hügels aufzuschlagen. Als erfahrener Pfadfinder kümmerte sich Tobias um das Feuer, während Ambre das Essen vorbereitete und Matt die Decken auslegte.
    »Wir haben keine Kekse mehr«, warnte Ambre. »Selbst wenn wir den Gürtel enger schnallen, kommen wir mit dem Rest nur noch ein bis zwei Tage aus.«
    »Ich bleibe bei meinem Vorschlag von gestern: Wir machen einen Tag lang Pause, stellen Fallen auf und gehen jagen«, erklärte Tobias und warf das Feuerholz, das er gesammelt hatte, vor sich auf die Erde.
    »Keine Zeit«, entgegnete Matt.
    »Was soll eigentlich dieses Höllentempo?«, fragte Ambre.
    »Mein Instinkt sagt mir, dass wir keine Sekunde zu verlieren haben. Man ist uns dicht auf den Fersen.«
    Ambre wechselte einen sorgenvollen Blick mit Tobias.
    »Dieses Ding …«, sagte sie leise. »Dieser Torvaderon, wie du ihn nennst – ist es das?«
    »So nennt er sich. Das hat er mir in meinen Träumen offenbart.«
    »Du sagst ja selber, dass es Träume waren. Vielleicht ist er nur die Ausgeburt deiner Ängste und …«
    »Auf keinen Fall!«, unterbrach er sie sofort. »Es gibt ihn wirklich. Erinnerst du dich nicht an die Beschreibung des Wesens, das die Pan-Gemeinschaft im Norden angegriffen hat? Er sucht mich. Er ist kein lebendiges Wesen wie du und ich, er ist zugleich in unserer Welt zu Hause und in … einem anderen, dunkleren Universum. Irgendwie kann er Bilder vor unserem inneren Auge hervorrufen und durch Träume kommunizieren. Ich weiß nicht, was er damit bezweckt, aber ich habe es erlebt. Und ich spüre ganz genau, dass er uns verfolgt.«
    »Aber was machen wir, wenn uns die Vorräte ausgehen?«, fragte Tobias. »Irgendwas müssen wir schließlich essen!«
    »Wir finden schon was.«
    Daraufhin warf Matt seinen Mantel hin und stapfte davon.
     
    Ambre und Tobias blickten sich an.
    »Die Reise macht ihm ganz schön zu schaffen, findest du nicht auch?«, fragte Tobias.
    »Er schläft schlecht. Ich höre ihn nachts stöhnen.«
    Tobias hob erstaunt die Augenbrauen. Wie konnte Ambre etwas mitbekommen haben, das er nicht bemerkt hatte, wo sie doch alle nebeneinander schliefen?
    Die beiden sind wirklich füreinander bestimmt …
    »Sag mal, Ambre, glaubst du wirklich, dass wir diesen Blinden Wald finden werden?«
    »Darüber mache ich mir keine Sorgen. Ich frage mich eher, wie es wird, wenn wir erst einmal drin sind … Nach dem, was man sich so erzählt, soll es ein furchtbarer, geradezu undurchdringlicher Ort sein, in dem schreckliche Kreaturen hausen.«
    »Und wenn wir es schaffen, ihn zu durchqueren, was tun wir dann, wenn wir im Süden sind?«
    »Den Antworten auf unsere Fragen nachgehen: Was haben die Zyniks mit den entführten Pans vor? Warum suchen sie ausgerechnet Matt? Du wusstest doch, worauf du dich bei dieser Reise einlässt!«
    »Ja, schon gut, es ist nur … Wir sind jetzt schon ziemlich am Ende und irren immer noch in der Gegend herum. Da kommen mir eben Zweifel, ob es wirklich so klug ist, geradewegs in die Höhle des Löwen zu laufen.«
    »Wir irren nicht herum, wir gehen nach Süden. Bereust du schon, dass du mitgekommen bist?«
    Tobias überlegte kurz und starrte auf seine Schuhe, ehe er antwortete.
    »Nein, Matt ist mein Freund! Aber ich bin trotzdem überzeugt, dass er einen Fehler macht. Wir hätten im Schutz der Carmichael-Insel bleiben sollen.«
     
    Eine Stunde später tanzten die Flammen über dem knisternden Holz. Langsam senkte sich die Nacht auf das Lager herab, und wie jedes Mal konnte Tobias nur ehrfürchtig staunen, wie sehr sich der Planet verändert hatte. Abend für Abend tauchten unzählige Sterne auf, die heller am schwarzen Himmel leuchteten, als er es je erlebt hatte. In der industrialisierten Welt hatten die Menschen längst vergessen, wie das Firmament ohne die Lichter der Städte und ohne Luftverschmutzung aussehen konnte. Tobias fiel wieder ein, was sein Pfadfinderführer ihm einmal gesagt hatte: »Das Licht einer fünfundzwanzig Kilometer entfernten Kerze genügt, um unsere Sicht auf die Sterne zu beeinflussen.« Nun konnte Tobias das bewundern, was seine frühesten Vorfahren zugleich gefürchtet und verehrt hatten: das von unzähligen fernen Seelen durchwanderte schwarze Nichts.
    Denn das ist der Himmel: die unendliche Kulisse unseres irdischen Lebens, der tägliche Widerschein unserer Grenzen.
    Mit halb leerem Magen lagen die drei in ihre Schlafsäcke gekuschelt
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