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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem
Autoren: Oliver Buslau
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Häuser schleichen? Kannst du nicht klingeln, wie jeder normale Mensch?«
    Wo war eigentlich meine Pistole? Sie musste runtergefallen sein.
    »Ja, wenn es denn eine Klingel gäbe!«
    Ich bückte mich und tastete auf dem dunklen Gras herum. »Was soll das heißen - wenn es eine gäbe?«
    »Genau das, was ich sage. Es gibt keine.«
    Ich richtete mich wieder auf. Es konnte stimmen. Darauf hatte ich gar nicht geachtet. Manni hatte mich bei meinem ersten Besuch gleich vor seinem Anwesen empfangen. Offenbar hatte er es mit dem Ruhe-haben-Wollen tatsächlich ernst gemeint.
    »Aber du hättest rufen können.«
    »Mitten in der Nacht? Ich habe erst mal am Eingang geschaut, ob da der Name Manfred Hecking steht. Das tut er nicht, also bin ich ums Haus gegangen, weil ich dachte, es gäbe noch eine Einliegerwohnung oder so was. Ich kannte ja noch nicht mal Mannis Hausnummer. Du hast nur gesagt, an der Straße zwischen Mettmann und Wülfrath …«
    Ja, Jutta war die Einzige, der ich eine Andeutung darüber gemacht hatte, wo ich war.
    »Und an dein Handy gehst du auch nicht«, setzte sie nach.
    »Es ist ausgeschaltet.«
    »Na, jetzt hab ich dich ja gefunden.«
    »Genau«, sagte ich - etwas blöde. »Lass uns reingehen«, fügte ich hinzu.
    »Wo ist denn nun Mannis Wohnung?«
    »Ihm gehört das ganze Haus.«
    »Im Ernst?«
    »Im Ernst.«
    »Und was macht er?«
    »Er ist gerade auf den Malediven und sonnt sich. Komm rein. Das heißt - würdest du noch mal hierhin leuchten bitte?«
    Endlich fand ich meine Pistole und steckte sie ein.
    »Wie kann er sich das alles leisten?«, fragte Jutta, als wir in dem riesigen Wohnzimmer mit Marmorboden saßen.
    »Ich weiß es nicht. Irgendwelche Geschäfte. Eigentlich will ich es auch gar nicht wissen.«
    Ich hatte die raffinierte indirekte Beleuchtung eingeschaltet, Jutta hatte die Kerzen auf dem Tisch angezündet, und jetzt hielt sie in der einen Hand ein Weinglas, in dem es dunkelrot funkelte, und in der anderen eine brennende Zigarette. Rauchen war im ganzen Haus erlaubt. Noch ein Pluspunkt für Manni.
    Ich hatte mir ein Bier geholt, wie gewohnt auf ein Glas verzichtet und rauchte ebenfalls. Ich hatte vor, es mir abzugewöhnen, aber nach mehreren gescheiterten Versuchen wusste ich, dass ich das niemals auf einen Schlag schaffen würde. So wandte ich die Salami-Taktik an. Täglich etwas weniger. Morgens eine, eine weitere am Vormittag. Dann erst nach dreizehn Uhr höchstens zwei bis sechs. Die Vorschriften für den Abend würde ich nach Weihnachten treffen, wenn ich genug Erfahrungen mit dem neuen System gesammelt hatte. Derzeit leerte ich bis zum Schlafengehen manchmal eine ganze Schachtel - fast so viele, wie ich früher über den Tag geraucht hatte. Trotzdem kam ich mir besser vor.
    »Mich würde was ganz anderes interessieren«, sagte ich. »Wieso kommst du hier mitten in der Nacht angefahren? Ich hab gar nicht gewusst, dass du im Lande bist.«
    Jutta reiste viel. Manchmal war sie monatelang unterwegs, und dann tauchte sie wieder auf und verspürte das unbändige Verlangen, mir bei meinen Fällen zu helfen. Oder mich für irgendwelche niederen Jobs anzuheuern.
    »Es geht um meinen Geburtstag«, sagte sie.
    Ich überlegte. »Der war am 10. Dezember. Das ist ungefähr ein halbes Jahr her.«
    Sie nippte an ihrem Weinglas. »Vor zwei Wochen ist mir etwas klar geworden.«
    War da plötzlich eine Spur Traurigkeit in ihrer Stimme? War es ein runder Geburtstag gewesen? Hatte ich ihn vergessen? Nein, das konnte nicht sein.
    Jutta war zehn Jahre älter als ich. Das hieß, sie war im letzten Dezember siebenundfünfzig geworden. Ein Alter, das man ihr nicht im Mindesten ansah.
    »Du bist siebenundfünfzig geworden«, gab ich das Ergebnis meiner Rechenkünste bekannt.
    »Genau darum geht’s.«
    »Was meinst du damit?«
    Jutta verzog den Mund, und nun erkannte ich tatsächlich ein paar Falten neben ihren Grübchen. Wahrscheinlich war das Licht unvorteilhaft.
    Man ist immer so alt, wie man sich fühlt, dachte ich - dann hatte ich schon öfter das Rentenalter erreicht. Vor lauter Schreck trank ich noch einen Schluck.
    »Wenn man fünfundfünfzig ist, ist man Mitte fünfzig«, sagte Jutta. »Wenn man sechsundfünfzig ist, auch. Glaubst du, dass man das mit siebenundfünfzig noch sagen kann?«
    Ich stellte mein Glas ab. »Du hast Probleme … Keine Ahnung. Ja, wahrscheinlich. Das heißt, eigentlich würde man eher schon von Ende fünfzig sprechen, oder?«
    Ihre Augen verengten sich, und sie drückte hastig
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