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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem
Autoren: Oliver Buslau
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überflog das Schreiben.
    »Man hat in dem Schacht an der Knochenmühle die Überreste einer Leiche gefunden«, sagte ich.
    »Gabriele Scherf?« Hermine Weißenburg hatte ein Papiertaschentuch aus ihrer Tasche geholt und tupfte sich das Gesicht ab.
    »Hier steht, es wurde ein charakteristischer Ohrring entdeckt. Ich nehme an, dass sie es ist.«
    Sie schwieg.
    »Hätten Sie Ihren Mann nicht getötet, wären Sie jetzt in der Karibik und könnten noch viele Jahre genießen«, sagte ich.
    Ohne Vorwarnung hob sie ihr weißes Haar hoch. Darunter war sie vollkommen kahl.
    »So viele Jahre auch nicht.«
    »Krebs?«, fragte ich.
    »Daher das Schmerzmittel. Ich habe noch ein halbes Jahr zu leben, vielleicht neun Monate. Diese Zeit wollte ich nicht mit einem Mann verbringen, der mich zur Mörderin werden ließ, verstehen Sie?«
    Ich verstand.
    Ein Polizeiwagen brachte mich nach Köln, wo immer noch Wonnes Wagen vor dem Hotel stand. Unterwegs telefonierte ich mit dem Krankenhaus. Nichts Neues. Der Arzt konnte mir nicht sagen, ob sie durchkommen würde. Er erklärte mir irgendetwas über hohen Blutverlust, aber ich hörte nicht richtig zu. In meinen Ohren rauschte es.
    »Kann ich zu ihr?«
    Die Stimme des Arztes war dunkel und rau. »Das ist sinnlos, Herr Rott. Ich verspreche Ihnen, wir benachrichtigen Sie, wenn sich irgendetwas verändert.«
    Den Schlüssel von Wonnes Wagen hatte ich. Nun stand ich vor der roten Stupsnase, und irgendetwas in mir wollte zerreißen.
    Ich zwang mich, einzusteigen. Als ich bei Mannis Haus ankam, war es bereits dunkel.
    Eine Gestalt löste sich von der Mauer, als ich auf die Tür zuging. Jutta.
    »Hallo, Remi.«
    »Hallo. Hast du die ganze Zeit hier gewartet?«
    »Ich wollte dich nicht anrufen. Ich weiß, was passiert ist. Es tut mir wahnsinnig leid.«
    Das ist schon das zweite Mal in den letzten Tagen, wollte ich sagen, aber ich durfte nicht kleinlich sein. Ich war froh, dass ich nicht so viel erklären musste. Jutta hatte ihre Kanäle, ihre Informanten. Niemals hatte ich mich mehr darüber gefreut als jetzt.
    Sie umarmte mich. Wir gingen hinein.
    »Wie geht es Wonne?«, fragte sie.
    »Als ich losgefahren bin, wusste man noch nicht viel. Sie hat eine Menge Blut verloren …«
    Wir schwiegen. Jutta fragte mich, ob sie etwas kochen solle, ich lehnte ab. Ich war wie versteinert. Es gelang mir gerade noch, mich aufs Bett zu legen und die Decke anzustarren. Als es dunkel wurde, starrte ich immer noch - nur eben ins düstere Nichts.
    Die Nacht verging. Ich hatte das Gefühl, keine Sekunde geschlafen zu haben, als ich die Augen aufschlug und der graue Morgen im Zimmer stand.
    Dann wurde mir plötzlich bewusst, dass es das Telefon gewesen war, das mich geweckt hatte. Ich versuchte aufzustehen, kämpfte gegen den ziehenden Schmerz an. Als ich endlich auf den Beinen war, kam Jutta herein.
    »Das Krankenhaus war dran«, sagte sie. »Sie sagen, du kannst zu ihr. Und sie ist über den Berg.«
    So schnell wie an diesem Morgen hatte ich mich noch nie angezogen. Wir fuhren los.
    In die gleißende Morgensonne hinein.

Dichtung und Wahrheit
    Als mir vor einigen Monaten die alten, in den Siebzigern höchst erfolgreichen Romane von Eric Malpass »Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung« und »Wenn süß das Mondlicht auf den Hügeln schläft« wieder in die Hände fielen, dachte ich an die Filmproduktionen dieser Geschichten und besorgte mir in einem kleinen Anflug von Nostalgie und Jugenderinnerungen die entsprechenden DVDs.
    Und wie staunte ich, als sich herausstellte, dass die Filme, die den Alltag um die Familie des fiktiven englischen Schriftstellers Jocelyn Pentecost und seiner Familie zum Thema haben, im Bergischen Land gedreht wurden - obwohl sie auf der britischen Insel spielen. Der Regisseur Wolfgang Liebeneiner gab sich wenig Mühe, den Drehort zu verbergen: In »Wenn süß das Mondlicht auf den Hügeln schläft« holen die Pentecosts in einer Szene Verwandte an einem angeblich englischen Vorortbahnhof ab. Die Station heißt - das Schild ist im Film deutlich zu erkennen - »Tente«. Sie liegt kurz vor Wermelskirchen - dort, wo man heute nur noch den überwucherten alten Bahndamm findet. An einer anderen Stelle ist ein Auto mit Wuppertaler Kennzeichen zu sehen. Als ich das entdeckte, hatte ich mir Tente als Handlungsort für diesen neuen Rott-Krimi schon ausgesucht. Ich nahm die Begebenheit als Zeichen und befand, dass dieser Bezug des Bergischen zur Filmgeschichte unmöglich unbeachtet bleiben
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