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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem
Autoren: Oliver Buslau
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Trostlosigkeit und Einsamkeit.
    Sie muss sich geirrt haben.
    Es wird Zeit, dass sie sich auf den Weg macht.
    In diesem Moment heult hinter den Bäumen ein Dieselmotor auf; in derselben Sekunde tritt eine Gestalt aus der Deckung neben dem hölzernen Fort und stellt sich an die kleine Hängebrücke.
    »Frau Hackenberg?«
    Klara zuckt vor Schreck zusammen. Ihr kommen weder Stimme noch Gesicht bekannt vor.
    Es ist ihr nicht recht, in ihrer Andacht gestört zu werden. Trotzdem muss sie höflich bleiben. Es kann schließlich niemand wissen, dass das hier schon eine geistliche Handlung ist, die für andere erst im Dom beginnt. Nach dem Kreuzzeichen, nach dem Kniefall.
    »Sie sind doch Frau Hackenberg?«
    Die Person kommt näher. Jetzt steht sie zwei Schritte entfernt.
    Klara nickt. »Ja, das bin ich …« Ihre Stimme ist belegt, sie muss sich räuspern. »Kennen wir uns?«
    »Ich glaube nicht. Das heißt - ich kenne Sie.«
    Klara glaubt, ein spöttisches Grinsen in dem Gesicht aufblitzen zu sehen.
    »Und wie heißen Sie?« Sie versucht, so freundlich wie möglich zu sein.
    »Das tut nichts zur Sache.«
    Klara hebt die Augenbrauen. Wie ungehörig! Seltsam. Das passt gar nicht zu der eleganten Erscheinung.
    »Entschuldigen Sie, aber …«
    Der Satz bleibt unvollendet. Sie hatte etwas Ablehnendes sagen wollen, doch ihr ist klar geworden, dass niemand sie zwingen kann, sich mit dieser unbekannten Person zu unterhalten. Sie hat schon genug Zeit verloren. Der Dom öffnet gerade. Sie muss weiter.
    Klara geht auf die Stelle zu, wo der kleine Weg beginnt.
    »Bleiben Sie stehen!«, hört sie hinter sich.
    Klara lässt sich nichts befehlen.
    »Stehen bleiben, habe ich gesagt.«
    Jetzt hat sie den Pfad erreicht. Schritte folgen ihr. Plötzlich sind sie ganz nah.
    Dann hemmt sie etwas.
    Ein schmerzhafter Ruck. Ein Stoß. Irgendwo unterhalb der Schulterblätter. Ein stechender Schmerz nimmt ihr den Atem. Ihr Oberkörper scheint mit einem Mal in Flammen zu stehen.
    »Ich habe gesagt, Sie sollen stehen bleiben«, zischt die Stimme, die von einem anschwellenden Rauschen in Klaras Ohren übertönt wird. Sie wirkt, als käme sie aus einem defekten Lautsprecher. Und sie klingt plötzlich bösartig. Teuflisch.
    Die Person beugt sich über sie. Das Gesicht schiebt sich zwischen sie und die Baumwipfel.
    Erst jetzt realisiert sie, dass sie auf dem Boden liegt.
    Klara kämpft um Luft. Da trifft sie der Schmerz ein zweites Mal. Diesmal von vorne.
    Eine heiße rote Fontäne schießt von irgendwo hervor.
    Klaras Gesichtsfeld zieht sich zusammen, wird eng wie ein Tunnel.
    Und erst in diesem Moment wird ihr klar, was hier geschieht.
    Sie hebt zu ihrem letzten Gebet an.
    Dann ist alles schwarz und still.

1. Kapitel
    George Clooney stand am Himmelstor und verhandelte mit Petrus über seine Rückkehr aus dem Tod ins Leben. Als Petrus, verkörpert von John Malkovich, die Kaffeemaschine sah, die Clooney unter dem Arm trug, war der Deal perfekt. Der Womanizer vom Dienst durfte zurück auf die Erde und blieb der Menschheit noch eine Weile erhalten.
    Worüber sich deren weibliche Hälfte wahrscheinlich am meisten freute.
    Mir war es wurscht.
    Lässig griff ich nach der handlichen Fernbedienung und zappte mich weiter durch die geschätzten tausend Programme, die Manni über seinen sauteuren Digitalreceiver empfing - einschließlich einiger Pay-TV-Sender, deren Themenschwerpunkte ein ganz neues Licht auf seine Interessen warfen: Ein History-Kanal war dabei, der rund um die Uhr irgendwelche Soldaten zeigte, die in Schwarz-Weiß über Schlachtfelder rannten. Ein Disney-Kanal, wo ich all die alten Entenhausener wiedertraf, die mich in meiner Jugend erfreut hatten: Massenhaft Variationen über das Thema »Donald und die Backenhörnchen« oder »Donald und die Ameisen«. Und schließlich das Gebiet, das am besten zu Manni passte: gleich drei Erotik-Kanäle, zum Teil mit Klassikern aus den Siebzigern wie »Deep Throat« sowie einer Menge Streifen mit Stars wie John Holmes und Desiree Cousteau.
    Manni bewies Geschmack. Immerhin konnte man da noch richtige Frauen sehen, ohne Plastikimplantat und aufgespritzte Lippen. Keine bis zur totalen Sterilität ausgeleuchteten Rammeleien, sondern frivoles Treiben in vielen Spielarten, und das sogar mit Ansätzen von Filmhandlung. Eingebettet in ein Ambiente aus Flokatiteppichen und lila Blumentapeten im Pop-Art-Stil.
    Mannis Haus hatte noch viel mehr zu bieten als einen Flachbildfernseher von der Größe einer Plakatwand. Es gab
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