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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem
Autoren: Oliver Buslau
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Cocktail.
    Als Dr. Heimlich mit seiner Frau auftauchte, begrüßte ich ihn kurz. Aber dann wurde er von Mathisen abgelenkt und kümmerte sich nicht mehr um mich. Es ging um irgendwelche Aufführungen im Ausland. An Opernhäusern. Aha. Nicht Schauspieler, sondern Sänger.
    Es füllte sich. Ich hielt mich abseits. Bald war ich ja dran mit meiner großartigen Funktion, die Mappen zu verteilen.
    Ich näherte mich der Einsatzzentrale und beschloss, mir anzusehen, welche Aufgaben Jutta den Rallyeteilnehmern so aufgebrummt hatte. Doch dazu kam es nicht.
    Kaum hatte ich mich über den Tisch gebeugt, packte mich jemand so hart am Arm, dass ich beinahe meinen Cocktail verschüttet hätte. Es war Jutta.
    »Wir haben ein Problem.«
    »Deswegen musst du mir nicht gleich den Arm brechen. Was ist denn los?«
    »Es ist jemand gekommen, der nicht vorgesehen war.«
    »Ein ungebetener Gast? Wie kann das denn passieren?«
    »Na ja - eigentlich nicht ungebeten. Aber sie hatte auf die Einladung nicht geantwortet, deshalb dachte ich, sie kommt nicht. Und jetzt ist sie da … Meine Güte, ist das peinlich. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll.«
    »Aber wieso? Hast du nicht genug zu essen bestellt?«
    »Es geht nicht ums Essen, Remi! Es geht um die Rallye! Die Teams sind genau eingeteilt. Alles ist geplant. Und wenn eine Person mehr da ist, geht es nicht mehr auf.«
    »Hm - aber hättest du nicht eh ein Auto zu wenig gehabt? Mathisen und seine Frau sind mit dem Taxi gekommen.«
    »Blödsinn, das ist geklärt. Sie nehmen dein Auto.«
    »Wie bitte?«
    »Oder eben meins. Mensch, das ist doch egal. Es geht um was ganz anderes. Wir haben eine Person zu viel.«
    »Wer ist es denn überhaupt?«
    »Yvonne. Dass die auch einfach so hierherkommt … Was mach ich nur? Ich kann ihr ja schlecht sagen, dass sie nicht mitfahren darf. Oder soll ich ein Dreierteam losschicken? Das wirkt auch irgendwie komisch. Und dann sind die ja im Vorteil … es wäre ungerecht.« Jutta sah sich nervös zu den Gästen um. Alle schienen sich gut zu unterhalten. Niemand hatte bemerkt, dass sich die Gastgeberin kurz abgesetzt hatte. Die blonde Frau aus dem Faltdach-Fiat sprach gerade mit den Mathisens. Sie lächelte den alten Galan genauso an, wie sie es mit mir gemacht hatte.
    Plötzlich kam mir eine Erkenntnis.
    »Lass mich raten. Yvonne ist die Blondine aus dem roten Fiat.«
    »Das Blondchen, ja.« Jutta wirkte giftig.
    »Also, mir gefällt sie.«
    Sie seufzte. »Ist mir klar, aber das tut nichts zur Sache. Ich muss jetzt meine kleine Ansprache halten, dann machen wir die Auslosung. Und dann müssen wir umorganisieren. Aber wie?«
    »Lad sie doch wieder aus. Ich übernehme gerne den Rausschmiss. Vielleicht kann ich sie zum Trost irgendwo zum Essen einladen. Auf deine Kosten natürlich.«
    »Wegen ihr ist es mir egal. Aber was sollen die anderen denken, wenn ich einen Gast von der Party verweise? Sie ist ja jetzt schon der Mittelpunkt der Veranstaltung.«
    Jutta hatte recht. Vor allem die Herren hatten sich um sie geschart und erfreuten sich des schönen Anblicks, den eine freundliche, wohlproportionierte Blondine im Minirock und einem Top mit Spaghettiträgern nun mal bot.
    »Lass ihnen doch ihren Spaß«, erklärte ich und meinte damit eigentlich mich.
    »Remi, das hilft mir jetzt auch nicht weiter.«
    »Wir könnten sie ja in einem unbemerkten Moment ins Haus schleppen, dort einsperren und den anderen sagen, sie sei krank geworden.«
    Juttas Blick verfinsterte sich. Witze waren nicht angebracht.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte ich.
    »Da bin ich mal gespannt.«
    Vor mir schien sich plötzlich ein Fenster zu öffnen. Der Tag war gerettet. Die Welt war wunderbar. Wenn ich es geschickt anstellte, würde ich nicht hier in der sogenannten Einsatzzentrale rumhängen und mich langweilen, sondern …
    Vor meinem inneren Auge entfalteten sich herrliche Bilder. Die grünen Hügel des Bergischen Landes. Der strahlend blaue Himmel. Der Wind in den Haaren dieser … wie hieß sie noch mal?
    Yvonne.
    »Sag schon«, drängelte Jutta.
    Mir wurde klar, dass ich in letzter Zeit zu Tagträumen neigte. Das musste an meinem abgeschiedenen Leben liegen. Schließlich war ich von Natur aus ein einsamer Wolf. Den niemand vermisste und der manchmal einfach im Dunkel verschwand, um irgendwann wieder aufzutauchen. Entweder in den weiten Wäldern zwischen Gummersbach und Wuppertal oder in den Vorstädten von Leverkusen oder Solingen …
    »Hallo! Jutta an Remi! Bist du noch
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