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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem
Autoren: Oliver Buslau
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musste die Beine anziehen. Nicht so stark wie ich, aber der Winkel brachte den Rock ganz hübsch ins Rutschen. Ich schätzte den bloßen Streifen heller, makelloser Haut vom Saum bis zum Knie auf fünfunddreißig Zentimeter.
    Als sie Gas gab, pustete der heiße Sommerwind von oben in den Wagen.
    Auf die Rallye konzentrieren, mahnte ich mich. Die Mappe lesen. Die erste Aufgabe. Ich hatte noch nicht einmal in die Unterlagen geschaut. Ich griff auf den Rücksitz, während wir den Feldweg entlangschaukelten.
    Es war eine Liste mit Ortsangaben und den eigentlichen Aufgabenstellungen. Sie begann mit Solingen. Danach kamen Altenberg, Engelskirchen, Overath und sogar die etwas entfernteren Orte Wiehl und Nümbrecht. Jutta hatte bei der Auswahl der Stationen Wert auf historische Gebäude gelegt. Wir würden unter anderem Schloss Burg, den Altenberger Dom und Schloss Homburg mit der legendären Postkutsche zu sehen bekommen.
    »Und? Wo geht’s zuerst hin?«, fragte Wonne, als wir an der Pfaffenberger Straße standen. Hier mussten wir uns entscheiden, in welche Richtung wir abbiegen wollten.
    »Rechts«, sagte ich. »Die erste Station ist Schloss Burg.«
    Sie gab Gas.
    »Dann gleich wieder rechts.«
    Jetzt ging es auf die Burger Landstraße, die uns hinunter in das enge Tal bringen würde, über dem das Schloss thronte.
    Ich war lange nicht mehr dort gewesen, aber in meiner Kindheit war Schloss Burg das Ziel etlicher Sonntagsausflüge gewesen. Wie mit Gewalt zwischen die steilen Höhen geklemmt, überragte der historische Rittersitz den kleinen Solinger Ortsteil.
    »Du kennst dich hier aus, was?«, rief Wonne und sah zu mir herüber. »Na, du hast ja auch einen Beruf, bei dem man rumkommt.«
    Die Tachonadel des kleinen Fiat wanderte über die achtzig, als sie in die erste Kurve ging. Die Fliehkraft fuhr mir in den Magen.
    »Wer hat dir eigentlich erzählt, was ich beruflich mache?«, fragte ich.
    Sie bremste, gab wieder Gas und lenkte routiniert. Auf der einen Seite der Straße erhob sich der Hang, auf der anderen drohte der Abgrund. Hinter den Bäumen zeigten sich die grauen Mauern des Schlosses.
    »Meine Mutter. Sie und Jutta waren Freundinnen.«
    Aha, dachte ich. Und da war ich also Gesprächsthema gewesen.
    »Waren Freundinnen?«, fragte ich nach. »Haben sie sich verkracht?«
    »Meine Mutter ist tot.«
    Vor uns lag ein Stück gerade Strecke, und Wonne nahm es zum Anlass, knatternd aufzudrehen und auf die nächste Kurve zuzurasen, als lege sie es mit Gewalt darauf an, herauszufinden, wer stärker war. Die Physik oder wir.
    »Tut mir leid«, brachte ich hervor. Und ärgerte mich. Das erste kleine Smalltalk-Gespräch, und dann kam gleich ein Todesfall zur Sprache.
    »Immerhin habe ich von ihr das Auto geerbt…«
    »Verstehe. Von wann ist der Wagen?«
    »1957. Erstes Baujahr. Man nennt ihn übrigens Knutschkugel.«
    »Ach ja?«
    Wir schwiegen. Ich spürte, dass auch sie nach einem neuen Thema suchte. Sie fand schneller eins als ich.
    »Ich wollte schon immer mal einen Detektiv kennenlernen«, sagte sie. »Über deinen Job musst du mir unbedingt mal mehr erzählen.«
    Ich beschloss, mich ein bisschen weiter aus dem Fenster zu hängen. »Einen Detektiv kennenlernen? Oder mich kennenlernen?«
    Sie behielt die Straße im Auge, aber ich konnte ihr ansehen, dass sie am liebsten laut herausgeprustet wäre. »Manchmal fügen sich die Dinge, sodass ein Gutes zum anderen kommt«, sagte sie.
    »Verstehe.«
    »Das freut mich.«
    »Brauchst du denn einen Ermittler?« Oder einen Kerl, fügte ich innerlich hinzu, denn danach sah es irgendwie aus.
    »Vielleicht.«
    »Ich stehe in jeglicher Hinsicht zur Verfügung.« Ich bemühte mich, so sachlich wie möglich zu klingen. Trotzdem kam ich mir vor wie in einem dieser Filme auf Mannis Pay-TV-Erotik-Kanal. Oder vielleicht gerade deshalb. Das konnte nicht die Wirklichkeit sein. So was gab’s einfach nicht.
    »Keine anderen Verpflichtungen?« Wonne sah kurz zu mir hinüber. Ihr Blick machte irgendetwas in mir noch weicher, was ohnehin dabei war, zusammenzuschmelzen. Verpflichtungen … Redeten wir über den Job? Nein - sie checkte ganz klar meinen Beziehungsstatus.
    »Frei. Niemandem verpflichtet.« Einsamer Wolf, hätte ich am liebsten noch gesagt, ließ es aber.
    »Dann steht einem Engagement nichts im Wege?«
    »Nö …«
    Wieder folgten wir einer Kurve und gelangten ins Tal - mitten in die dahingewürfelten Häuser, manche in Fachwerk, andere im typisch bergischen Schieferwandstil. Das
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