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Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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er sich über die Schneidezähne, als wollte er sie reinigen –, dann fragt er: »Wie alt bist du?«
    Sie zögert; vor zwei Monaten ist sie vierzehn geworden. »Sechzehn«, sagt sie.
    »Fährst du gern Motorrad?«
    »Ich weiß nicht.« Wie konnte sie sich auf dieses Gespräch einlassen? Schwebt sie in Gefahr? Bestimmt, zumindest ein ganz kleines bisschen.
    »Ich reparier grad eins, bei meinem Kumpel.« Der Typ bewegt seine linke Schulter, aber die Richtung ist schwer auszumachen.
    »Ich muss los«, sagt Hannah und steht auf, hebt erst das eine und dann das andere Bein über die Picknickbank. Sie läuft ein Stück, wirft einen Blick zurück. Der Typ steht immer noch da.
    »Wie heißt du?«, fragt er.
    »Hannah«, antwortet sie und wünscht sogleich, sie hätte sich für ihn etwas Besseres einfallen lassen: Genevieve vielleicht, oder Veronica.
     
    Mit neun Jahren lernte Hannah auf einer Pyjama-Party ein Nonsens-Spiel: Was immer der eine erzählte, musste vom anderen mit dem Spruch »Eier mit Soße« gekontert werden. |20| Als ihr Vater sie am Sonntagmorgen von der Party abholte, beschloss Hannah, das Spiel bei ihm auszuprobieren. Er wirkte zerstreut – schaltete zwischen verschiedenen Radiosendern hin und her –, ließ sich aber darauf ein. Es war ihr wichtig, ihm im Auto davon zu erzählen, solange sie beide unter sich waren, denn Hannah bezweifelte, dass ihre Mutter es witzig finden würde. Ihr Vater hatte Sinn für Humor. Falls sie an einem Wochenende mal nicht einschlafen konnte, durfte sie manchmal aufstehen und mit ihm im Arbeitszimmer
Saturday Night Live
gucken, und er brachte ihr ein Ginger Ale, während ihre Mutter und Allison schliefen. Sie beobachtete, wie das Licht vom Bildschirm über seine Gesichtszüge flimmerte, und war stolz, wenn er im Chor mit dem Studiopublikum lachte – damit schien er an einer Welt teilzuhaben, die über ihre Familie hinausging.
    Im Auto fragte Hannah: »Was nimmst du zum Frühstück?«
    »Eier mit Soße«, sagte ihr Vater. Er wechselte die Spur.
    »Was isst du zu Mittag?«
    »Eier mit Soße.«
    »Was kaufst du im Laden?«
    »Eier mit Soße.«
    »Was hast du …« Sie hielt inne. »Was hast du in den Kofferraum gepackt?«
    »Eier mit Soße.«
    »Was …« Hannah hörte, wie sich bereits freudige Erwartung in ihre Stimme mischte, wie sich der Lachdrang – jetzt schon! – ihrer bemächtigte, so dass sie die Frage kaum zu stellen vermochte. »Was bekommst du nachts von deiner Frau?«
    Im Auto herrschte Stille. Langsam drehte ihr Vater den Kopf, um Hannah anzusehen. »Weißt du eigentlich, was das bedeutet?«, fragte er.
    |21| Hannah schwieg.
    »Weißt du, was Eier sind?«
    Hannah schüttelte den Kopf.
    »Das sind die Hoden. Männer haben das, neben dem Penis. Frauen haben keine Eier. Nicht solche.«
    Hannah sah aus ihrem Seitenfenster.
Möpse
. Sie dachte, Eier wären nur ein anderes Wort dafür.
    »Und so ergibt dieser Witz gar keinen Sinn. Eier
von
meiner Frau? Verstehst du, warum das keinen Sinn ergibt?«
    Hannah nickte. Sie wollte nichts wie raus aus dem Auto, weg vom Schauplatz dieses peinlichen Irrtums.
    Ihr Vater streckte die Hand aus und drehte das Radio lauter. Während der restlichen Heimfahrt wechselten sie kein Wort mehr.
    In der Auffahrt sagte er zu ihr: »Hässliche Frauen versuchen oft, komisch zu sein. Sie denken, das macht alles andere wieder wett. Aber du wirst eine hübsche Frau werden, so wie Mom. Du musst nicht komisch sein.«
     
    Wann immer Elizabeth von der Arbeit nach Hause kommt, rennt Rory, kaum dass er ihren Schlüssel im Schloss hört, zum anderen Ende der Couch und kauert sich dahinter, während sein Haarschopf sichtbar hervorsticht. »Hey, Hannah«, sagt Elizabeth, und Hannah zeigt hinter die Couch.
    »Weißt du, was ich am liebsten täte?«, fragt Elizabeth mit lauter Stimme.
    Sie trägt einen rosa Krankenhauskittel und eine Halskette aus Makkaroni, die Rory letzte Woche in der Schule gebastelt hat. »Am liebsten würde ich schwimmen gehen. Aber dafür müsste ich wissen, wo Rory steckt, weil er ganz bestimmt gern mitkommen würde.«
    Rorys Haarschopf zuckt.
    |22| »Na, wir werden wohl ohne ihn gehen«, sagt Elizabeth. »Es sei denn, ich finde ihn, bevor …«
    Schon springt Rory aus seinem Versteck hervor, schleudert die Arme hoch. »Hier ist Rory«, brüllt er. »Hier ist Rory!« Er rennt um die Couch herum und wirft sich gegen seine Mutter. Als sie ihn auffängt, fallen sie beide seitlich in die Kissen. Elizabeth drückt Rory auf die Couch,
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