Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Also lieb ich ihn - Roman

Also lieb ich ihn - Roman

Titel: Also lieb ich ihn - Roman
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
Vom Netzwerk:
hat sie vor so langer Zeit erfahren, dass sie sich nicht einmal mehr an den Zeitpunkt erinnert: Kurz nachdem Elizabeth angefangen hatte, als Krankenschwester zu arbeiten, hinterließ ihr ein Patient einen dicken Batzen Geld, das sie leichtfertig verprasste. Sie gab eine Riesenparty, einfach so, ohne Anlass, sie hatte nicht einmal Geburtstag. Und seitdem muss sie jeden Cent zweimal umdrehen. (Zu Hannahs Erstaunen bestellt ihre Tante aber immer Essen – meist chinesisches –, wenn Darrach abends nicht nach Hause kommt, was ständig der Fall ist. Beide verhalten sich nicht gerade so, als müssten sie jeden Cent zweimal umdrehen.) Rein finanziell gesehen, war es da wenig hilfreich, dass Elizabeth einen Fernfahrer heiratete: den Irischen Hippie, wie Hannahs Vater ihn nannte, während Hannahs Mutter erklärte, er sei »ein Anhänger der Gegenkultur«. Als |10| Hannah ihre Schwester fragte – die drei Jahre ältere Allison –, sagte sie: »Das bedeutet, dass Darrach nie duscht«, was keineswegs der Wahrheit entsprach, wie Hannah inzwischen feststellen konnte.
    »Sollen wir unsere Party vor oder nach der Hochzeit feiern?«, fragt Hannah. »Sie heiratet am vierzehnten Juni.« Dann stellt sie sich vor, wie das Datum auf den Einladungskarten geschrieben steht, schwungvoll ausbuchstabiert, und fügt hinzu: »Neunzehnhunderteinundneunzig.«
    »Warum nicht gleich
am
vierzehnten? Darrach könnte mein Tischherr sein, wenn er hier ist, und du bekommst Rory.«
    Hannah verspürt einen Stich. Natürlich steht ihr kein anderer Tischherr zur Verfügung als ihr achtjähriger, zurückgebliebener Cousin. (Das habe Elizabeths finanziellen Niedergang schließlich besiegelt, behauptete Hannahs Vater: die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom. Am Tag, als Rory auf die Welt kam, stand ihr Vater nach Feierabend in der Küche, ging die Post durch und sagte zu ihrer Mutter: »Dieses Kind wird ihnen eine Bürde sein, bis sie ins Grab fallen.«) Doch was hätte Elizabeth ihr anderes in Aussicht stellen können?
Als Tischherrn bekommst du den sechszehnjährigen Sohn eines Kollegen. Er sieht umwerfend gut aus, und er wird dich auf Anhieb mögen.
Sicher erwartete Hannah so etwas. Ständig rechnet sie damit, dass ein Junge zum Verlieben vom Himmel fällt.
    »Ich würde dir so gern mein Hochzeitskleid heraussuchen, damit du es zur Party tragen kannst«, sagt Elizabeth. »Ich könnte inzwischen nicht einmal mehr den großen Zeh hineinquetschen, aber dir würde es bestimmt prima stehen. Wenn ich nur wüsste, wo ich es hingepackt habe.«
    Wie kann Elizabeth bloß ihr Hochzeitskleid verlegt haben? Immerhin ist das kein x-beliebiger Schal. Daheim in |11| Philadelphia ist das Hochzeitskleid von Hannahs Mutter sorgfältig auf dem Dachboden verstaut, in einer länglichen, gepolsterten Schachtel, die einem Sarg gleicht.
    »Ich muss die nächste Ladung in den Trockner packen«, sagt Elizabeth. »Kommst du mit?«
    Hannah steht auf, ohne die Zeitschrift aus der Hand zu legen. »Kiefer hat ihr ein Tattoo spendiert«, sagt sie. »Ein rotes Herz mit dem chinesischen Schriftzeichen für ›Herzensstärke‹.«
    »Anders gesagt«, meint Elizabeth, »lautet die Botschaft: ›Als Zeichen meiner Liebe wirst du jetzt wiederholt mit einer Nadel voller Tinte gepiesackt.‹ Ist diesem Kerl wirklich zu trauen?« Sie sind im Erdgeschoss angelangt und laufen durch die Küche zur Kellertreppe. »Und darf ich überhaupt zu fragen wagen, wo sich das Tattoo befindet?«
    »Auf ihrer linken Schulter. Darrach hat keine Tattoos, oder? Auch wenn man bei Fernfahrern immer davon ausgeht.« War das jetzt eine unhöfliche Frage?
    »Keine, die er mir gezeigt hätte«, erwidert ihre Tante. Sie wirkt kein bisschen beleidigt. »Allerdings sind die meisten Fernfahrer auch keine Tofufresser und nicht gerade yogabesessen.«
    Darrach hat Hannah gestern seinen Sattelschlepper gezeigt, den er in der Auffahrt parkt; die Auflieger gehören jeweils den Unternehmen, die ihn als Fahrer beschäftigen. Darrachs Tour führt ihn zurzeit vom heimischen Pittsburgh, wo er Achsen einlädt, über Crowley in Louisiana, wo er die Achsen abliefert und Zucker einlädt, nach Flagstaff in Arizona, wo er den Zucker abliefert und Damenunterwäsche einlädt, die er nach Pittsburgh bringt. Später erlaubte er Rory, Hannah vorzuführen, wie man den Vordersitz dreht, um in die Schlafecke des Führerhauses zu gelangen. Dann zeigte ihr Darrach die Koje, in der er zu meditieren pflegt. Die Führung stieg Rory zu Kopf. »Das |12|
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher