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Als wäre es Liebe

Als wäre es Liebe

Titel: Als wäre es Liebe
Autoren: Nicol Ljubic
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Namen Bregigan oder Burrigan oder so ähnlich. Das Thema interessierte mich nicht wirklich, ich weiß aber noch, dass sie Blut über einen Stapel von Musterungspapieren gossen; sie wollten auf diese Weise gegen das Blutvergießen in Vietnam protestieren. Der Film war nicht sonderlich erfolgreich. Aber meine Mutter hatte immer Männer, die ihr geholfen haben. Und wenn es mein Vater war. Seit ein paar Jahren arbeitet sie, soviel ich weiß, für einen kleinen Buchverlag.
    Ich bin mit dem Rad gefahren, von meiner Wohnung aus sind es dreißig Minuten. Ich habe im Briefkasten nach Post geschaut. Dann bin ich die drei Stockwerke hoch. Ich schloss auf und trat in eine düstere Wohnung. Schon auf dem Weg hierher hatte sich der Himmel verfinstert, aber noch war der Regen ausgeblieben. Im Flur standen ein paar Schuhe herum, die Garderobe war leer. Ich machte die Tür zu und lauschte. Es war still in der Wohnung. Offensichtlich war sie wirklich gefahren. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen, für einen Moment blieb ich stehen und hielt die Luft an. Aber als ich die Tür einen Spalt öffnete, sah ich, dass ihr Bett leer war, die Tür zum Kleiderschrank offen und die unterste Schublade ihres Schreibtisches herausgezogen. Im Wohnzimmer stand ein Tontopf auf dem Tisch, aus dem ein kahler Stamm ragte mit Ästen, an denen nichts wuchs. Es war nicht mehr als das Gerippe eines Bäumchens, verkümmert, wahrscheinlich längst tot. Ich drückte meinen Zeigefinger in die Erde, die offenbar schon länger kein Wasser abbekommen hatte. Ich ging in die Küche, holte ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Leitungswasser. Es dauerte eine Weile, bis das Wasser in die Erde sickerte, ich füllte ein zweites Glas und ein drittes. Insgesamt goss ich den Inhalt von sechs Gläsern in den Topf. Am Ende stand das Wasser bis zum Rand. Dann ging ich in die Küche und räumte den Tisch ab. Die Stachelbeermarmelade stellte ich in den Kühlschrank, die Tasse und den Teller in die Spüle. Dann setzte ich mich an den Tisch und las die Zeitung, die sie aufgeschlagen hatte liegen lassen.
    Keiner saß in Deutschland länger im Knast als er: Nach 49 Jahren hinter Gittern ist der Frauenmörder Friedrich P. gestorben. Aufseher fanden den Langzeithäftling tot in seinem Bett im Gefängniskrankenhaus. Mit einer beispiellosen Mordserie hatte der eiskalte Killer 1959 im Schwarzwald Angst und Schrecken verbreitet. Er wurde gefasst und am 22. Oktober 1960 zu sechs Mal lebenslänglich verurteilt. Seit Jahren kämpfte er um seine Rückkehr in die Freiheit.

Der Traum hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Sie konnte nicht mehr einschlafen und lag eine Zeitlang wach und fragte sich, wie spät es war. Sie versuchte, an der Färbung des Nachthimmels zu erkennen, ob die Dämmerung bereits eingesetzt hatte. Sie hörte keinen Verkehr auf der Straße. Es musste mitten in der Nacht sein. Das hieß, dass sie nur wenige Stunden geschlafen hatte. Im Traum sind sie aus dem Zug gestiegen. Sie waren die Einzigen, und sie musste ihn halten. Der Tritt war sehr hoch, sodass er einen großen Schritt machen musste, um auf den Bahnsteig zu gelangen. Er konnte nicht sehen, seine Augen waren geschlossen. Der Bahnhof lag auf einer Anhöhe, und weit unten sah sie das Meer und auf dem Weg dorthin eine Treppe aus Tausenden von Stufen. Sie standen auf dem Bahnsteig, und er fragte, was los sei, und sie sagte, nichts, und dann sagte sie, sie könne das Meer sehen und es sei nicht weit. Sie stiegen die Stufen hinunter, seine linke Hand hatte ihre rechte umfasst, so stiegen sie immer weiter hinunter. Aber sie kamen nicht ans Meer, die Treppe hatte kein Ende.
    Sie sagte sich, dass es gut wäre, noch ein wenig zu schlafen, schließlich hatte sie eine lange Fahrt vor sich. Sie drehte sich auf die linke Seite. Sie legte sich auf den Rücken. Sie versuchte, im Geiste ihren Körper abzutasten, von den Zehen aufwärts. In der Regel schlief sie ein, wenn sie die Knie erreichte. Aber in dieser Nacht half das alles nicht. Sie stieg aus dem Bett und tastete sich durch die Dunkelheit in die Küche und stellte sich vor die Balkontür. Wahrscheinlich lag es an der Wolkendecke, aber sie sah weder Sterne noch die Umrisse der Bäume, die zu dem kleinen Park gehörten, der vor ihrer Wohnung lag. Es ist das einzige Bild vom Jenseits, das sie sich vorzustellen vermag: die ewige Dunkelheit. Seltsamerweise nimmt sie in ihrer Vorstellung vom Jenseits diese Dunkelheit wahr, als würde ihr das Bewusstsein bleiben.
    Als
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