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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen
Autoren: Ravensburger
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kickerten. Es war der letzte Ferientag. Nadine war noch immer mit Phil zusammen. Seit der Geschichte mit der Cola begegneten wir beide uns wie zwei gute Bekannte, nicht mehr und nicht weniger. Das ging von heute auf morgen, was mir sehr recht war. Ich hatte genug andere Probleme.
    »Und wie ist sie so?«, fragte Björn. Mit einem Schuss aus der Abwehrreihe machte er ein Tor.
    Ich war zu unkonzentriert. Zuerst dachte ich, er meinte Milena, das Mädchen aus der Drogerie. Vor ein paar Tagen hatte ich ihren Bruder Sven kennengelernt, von dem ich auch ihren Namen erfahren hatte. Dann dämmerte mir, dass er Ilka meinte, die ich gerade erwähnt hatte. Ich ließ den nächsten Ball aufs Feld rollen. Ohne Umweg landete er gleich wieder in meinem Tor.
    »Bescheuert«, sagte ich. »Und nervig.«
    »Hübsch?«
    »Keine vierzehn.«
    »Wie sie aussieht, war meine Frage.«
    »Zu gut.«
    Björn sah mich verständnislos an.
    »Sie denkt, jeder müsste auf sie fliegen«, erklärte ich. »Das macht sie unausstehlich.«
    »Geil!« Björns Abwehrreihe schoss das nächste Tor. Das Debakel war nicht aufzuhalten. »Wann genau zieht sie bei euch ein?«
    Ich ignorierte seine Frage. »Lass uns zum Strand fahren«, sagte ich. Das Spiel war noch nicht zu Ende.
    »Schiss zu verlieren?« Björn kickte den letzten Ball ins eigene Tor.
    »Manchmal schon«, sagte ich, und wir gingen hinaus. Die Sonne flimmerte. Wie Schnecken krochen wir auf unseren Rädern Richtung Strand. Alles Leben in der Stadt schien stillzustehen. Unvermittelt nahm ich den alten Gesprächsfaden wieder auf: »Wenn ich nach Hause komme, sind sie schon da.«
    Als wir am Strand ankamen, sah ich gerade noch Milena hinterm Deich verschwinden. Wenigstens glaubte ich für Sekundenbruchteile, dass sie es war. Dann aber meinte ich, dass meine Fantasie mir nur mal wieder einen Streich gespielt hatte. Das tat sie in letzter Zeit ziemlich oft. Und jedes Mal ging es um Milena. Es brauchte nur jemand zu humpeln, weil er sich einen Fuß verstaucht hatte, oder ein Mädchen hatte nussbraunes halblanges Haar, schon stand mir Milenas Bild vor Augen. Aber da ich inzwischen daran gewöhnt war, fiel ich nicht mehr auf diese Halluzinationen herein.
    »Hast du sie gesehen?«, sagte Björn nebenbei. »Deine hinkende Freundin ist gerade an den Strand gegangen.« Mein Unruhepegel schoss von null auf hundert. Björn teilte vieles mit mir, aber sicher nicht meine Wahnvorstellungen. Ich konnte kaum das leise Zittern meiner Hände beim Zusammenschließen der Räder verbergen. Aber glücklicherweise war Björn mehr damit beschäftigt, einer Gruppe von drei Mädchen nachzuschauen, die kichernd an uns vorbeischlenderten. Eine von ihnen sah ganz nett aus.
    »Sie ist nicht meine Freundin«, sagte ich mehr zu mir als zu Björn. Aber er hatte mich gehört und lachte.
    »Sorry! Wollte dich nicht beleidigen.«
    In diesem Augenblick passierte etwas, was ich zunächst nicht wirklich kapierte. Es war wie ein Schlag in den Bauch. Es tat so weh, dass es mir für Sekunden komplett die Sprache verschlug. Arglos ging Björn neben mir den Deich hoch. Erst als wir oben angekommen waren, konnte ich wieder sprechen: »Sag so was nie wieder.« Ich hörte selbst, dass es bedrohlich klang. Meine Blicke schweiften über den Strand, aber nirgends sah ich Milena.
    »Was ist denn mit dir los?« Etwas erschrocken sah Björn mich an. »Ich hab mich doch schon entschuldigt. Aber, wenn das nicht reicht, von mir aus.«
    Er fiel auf die Knie, umschlang meine Beine und jammerte: »Verzeih mir! Bitte! Ich werde etwas so Furchtbares nie wieder sagen! Ich schwöre es!«
    Die Mädchen vor uns drehten sich um und kicherten wieder. Ich war nicht in der Stimmung, auf Björns Schwachsinn einzugehen, und trabte weiter. Er warf sich der Länge nach ins Gras und trommelte verzweifelt mit den Fäusten auf die Erde.
    »Er verzeiht mir nicht!«, schrie er. »Was habe ich getan?«
    Die Mädchen kriegten sich kaum noch ein. Sie waren stehen geblieben und begafften das Schauspiel. Ich ging an ihnen vorbei, ohne sie weiter zu beachten. Dann sah ich Milena. Sie saß direkt hinter dem geschlossenen Kassenhäuschen auf einer Bank. Björns Theater konnte ihr unmöglich entgangen sein. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle metertief im Sand verbuddelt. Warum musste ausgerechnet sie mich immer in dermaßen haarsträubenden Situationen erleben? Ich ging an ihr vorbei, als hätte ich sie nicht gesehen. Fürs Erste erschien mir das am besten.
    »Tobias! Hey, Tobias!
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