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Als könnt' ich fliegen

Als könnt' ich fliegen

Titel: Als könnt' ich fliegen
Autoren: Ravensburger
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an der neuen Schule«, sagte sie. »Beziehungsweise zwei.«
    Björn stand einen halben Schritt hinter mir und grinste leicht verlegen. »Hallo«, sagte er. »Herzlich willkommen an dieser wundervollen Lehranstalt.«
    »Auf der anderen Seite kennt dich jetzt jeder«, meinte ich. »Unser Auftritt war gelungen. Du bist berühmt.«
    »Wenn’s ein Vorteil ist«, erwiderte Milena. Es klingelte, gemeinsam machten wir uns auf den Weg.
    »10a?«, fragte ich. Meine Hoffnung war gering.
    »B«, korrigierte sie dann auch. Das Treppensteigen bereitete ihr echte Schwierigkeiten. Ich war versucht, ihr Hilfe anzubieten. Aber mein Instinkt sagte mir, dass das nicht richtig wäre. Also ging ich einfach langsam neben ihr her. Ich glaubte, ihre Unruhe zu spüren. Björn hielt sich stur an meiner linken Seite.
    »Verdammt«, sagte sie. »Ich bin total aufgeregt. Kennst du nicht irgendeinen Trick dagegen?«
    »Sich alle nackt vorstellen?« Ich war selbst nicht begeistert von meinem Vorschlag.
    »Schon mal versucht«, antwortete sie. »Wirkt nicht.«
    »Bei mir auch nicht, ehrlich gesagt.«
    »Bist du auch aufgeregt?«, fragte sie überrascht.
    »Allerdings.« Ich hatte das eigentlich gar nicht sagen wollen, aber jetzt war es raus. Milena blieb auf der Treppe stehen und sah mich an.
    »Wieso das denn? Bist du etwa auch neu hier?«
    »Erst seit drei Jahren«, meinte Björn. »Er gewöhnt sich schwer ein.«
    Milena lachte und ging weiter. Ich war gerettet und warf Björn einen dankbaren Blick zu. Hätte ich ihr vielleicht sagen sollen, dass ich aufgeregt war, weil ich sie getroffen hatte? Im Übrigen fragte ich mich, woher Björn das wusste. Schweigend gingen wir weiter. Unsere Klassen lagen direkt nebeneinander.
    »Warum auch immer«, sagte sie, bevor sie hinter der Tür verschwand, »aber ich bin plötzlich nur noch halb so aufgeregt. Danke.«
    »Apropos: Hat dein Bruder dir die zwei Cent gegeben?«
    Milena grinste. »Hat er. Noch mal danke.«
    Ich grinste auch. »Wann hast du Schluss?«
    Sie sah mich an. »Ich bin doch neu hier, oder?«
    »Stimmt. Blöde Frage.«
    »Also, mach’s gut.«
    »Du auch. Ach, Milena?«
    Wir blieben beide noch mal stehen.
    »Ja?«
    »Gehen wir nachher ein Eis essen oder so was?«
    Sie schien überrascht. »Aber …«
    »Falls ich früher Schluss habe, kann ich warten.«
    »Und wenn ich früher Schluss hab?«
    »Wartest du?«
    Sie überlegte kurz, grinste dann.
    »Okay. Also bis nachher.«
    »Bis nachher.«
    Milena verschwand im Klassenzimmer. Leicht wie eine Feder schwebte ich über den Flur.
    »Was war das denn für eine?«
    Obwohl ich sofort wusste, dass sie nicht locker lassen würde, tat ich, als hätte ich ihre Frage nicht gehört. Ilka lag wie hingegossen auf der großen Liege im Garten. Sie trug einen winzigen Bikini, dessen Neongelb mir in die Augen stach.
    Ich vermied es, genauer hinzuschauen, sonst bildete sie sich noch wer weiß was ein. Ich setzte mich auf einen Stuhl im Schatten. Die Hitze der letzten Tage war ungebrochen. Ich kam gerade aus der Schule. »Kannst du nicht mehr sprechen?«, fragte Ilka. »Oder bist du neuerdings taub? Hast dich deiner behinderten Freundin wohl schon angepasst, wie?«
    »Milena ist weder stumm noch gehörlos«, sagte ich ruhig. »Dass sie einen Gehfehler hat, ist dir ja offenbar nicht entgangen.«
    »Gehfehler, pah!«, höhnte sie. »Verkrüppelt passt wohl eher. Einen Gehfehler hatte Marlies mal, als sie sich beim Skifahren den Fuß gebrochen hatte.«
    »Ist dir eigentlich klar«, fragte ich, »was für einen Scheiß du da redest?« Ich stand auf und ging zur Terrassentür. Ich konnte ihre Gegenwart nicht länger ertragen.
    »Das ist nur die Wahrheit«, sagte sie. »Aber deine Reaktion ist echt interessant.«
    Mir lag schon eine wütende Antwort auf der Zunge, aber ich schluckte sie runter. Ich war überhaupt nicht in der Stimmung, hier mit dieser Zicke herumzustreiten. Ich schwitzte wie die Hölle und fühlte mich total ausgelaugt. Milena hatte unsere Verabredung nicht eingehalten.
    Mit einem Bein war ich schon im Wohnzimmer, als ich noch einmal Ilkas Stimme hörte. Sie klang scharf wie ein Messer: »Du bist doch nicht etwa verknallt, oder?« Sie legte eine gut berechnete Pause ein: »In die ?«
    Ich blieb stehen, um ihr nun doch ein paar passende Worte zu sagen. Aber als ich in ihr Gesicht sah und ihre Augen hinter der dunklen Sonnenbrille nicht erkennen konnte, wusste ich, dass es klüger war zu schweigen. Egal, was ich sagte: Sie würde die Worte wie einen
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