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Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction

Titel: Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
Autoren: Clifford D Simak
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setzte sich mit einem Ruck gerade hin – und sah, wie vor ihm auf der Wiese langsam das Raumschiff landete.
    Jetzt rannten die Mäuse, rannten um ihr Leben, während das Schiff wie ein herabsegelnder Flugsamen auf dem Gras aufsetzte.
    Sofort war Jenkins auf den Beinen und streckte seine Fühler aus, doch seine Sinne prallten an der Oberfläche des Schiffes ab. Er konnte nicht eindringen, genauso wenig wie in das Gebäude der Ameisen vor dem Einsturz.
    So stand er auf der Terrasse, völlig verwirrt von diesem unerwarteten Ereignis. Nur zu verständlich, dachte er, denn bis zu diesem Tag war nie etwas Unvorhergesehenes geschehen. Die Tage waren ineinandergeflossen, die Tage, die Jahre, die Jahrhunderte, sie waren nicht mehr auseinanderzuhalten gewesen, so sehr hatten sie sich geglichen. Wie ein mächtiger Fluss strömte die Zeit vor sich hin, ohne überraschende Wellen oder plötzliche Strudel.
    Bis zu dem Tag, an dem das Ameisengebäude zusammenbricht und ein Raumschiff landet.
    An dem Schiff öffnete sich eine Luke, eine Leiter wurde ausgefahren. Kurz darauf kletterte ein Roboter heraus, ging über die Wiese auf das Webster-Haus zu und blieb am Rand der Terrasse stehen.
    »Hallo, Jenkins«, sagte er. »Hab ich mir doch gedacht, dass wir dich hier finden.«
    »Du bist Andrew, stimmt's?«
    Andrew lachte in sich hinein. »Also erinnerst du dich an mich.«
    »Ich erinnere mich an alles«, erwiderte Jenkins. »Du bist als Letzter gegangen. Zusammen mit zwei anderen hast du das letzte Schiff vorbereitet, und dann habt ihr die Erde verlassen. Ich habe dagestanden und euch zugesehen. Was hat euch dort draußen erwartet?«
    »Du hast uns immer die wilden Roboter genannt. Wahrscheinlich hast du uns wirklich dafür gehalten. Ja, für dich waren wir verrückt.«
    »Unkonventionell«, sagte Jenkins.
    »Und was ist dann konventionell? In einem Traum zu leben? Für eine Erinnerung zu leben? Das muss ganz schön ermüdend sein.«
    »Nein, nicht ermüdend …« Jenkins ließ den Satz in der Luft hängen und hob von neuem an. »Andrew, die Ameisen sind gescheitert. Sie sind tot. Ihr Gebäude stürzt ein.«
    »Das war's dann also mit Joe«, sagte Andrew. »Und mit der Erde. Es ist nichts mehr übrig.«
    »Doch, die Mäuse. Und das Webster-Haus.«
    Wieder einmal musste Jenkins an den Tag denken, an dem ihm die Hunde einen funkelnagelneuen Körper zum Geburtstag geschenkt hatten. Und was für ein Körper das gewesen war! Selbst ein Schmiedehammer hätte ihm nichts anhaben können, er rostete niemals, und er steckte voller Fühler, von denen Jenkins nicht einmal geträumt hatte. Bis heute wohnte er in diesem Körper, denn er war noch so gut wie neu, und wenn man die Brust ein wenig polierte, stach die eingravierte Inschrift noch immer deutlich hervor:
    Für Jenkins, von den Hunden
    Jenkins hatte zugesehen, wie die Menschen auf den Jupiter gezogen waren, um über ihr menschliches Dasein hinauszuwachsen, wie die Websters nach Genf gegangen waren, um bis in alle Ewigkeit hinein zu träumen, wie die Hunde und die anderen Tiere in eine der Koblerwelten übergewechselt hatten – und schließlich, wie die Ameisen untergegangen waren.
    Verstört stellte er fest, dass ihn das Aussterben der Ameisen doch ziemlich getroffen hatte. Es war, als hätte jemand kurzerhand einen Schlusspunkt unter die schriftliche Überlieferung der Erdengeschichte gesetzt.
    Die Mäuse, dachte er, die Mäuse und das Webster-Haus. Würde ihm das noch genügen, jetzt, da ein Raumschiff vor ihm auf der Wiese stand? Jenkins versuchte, sich darüber klarzuwerden: Hatte sich die Erinnerung abgenutzt? Hatte er all seine Schulden beglichen? Hatte er das letzte Gramm Hingabe und Treue aufgebraucht?
    »Da draußen gibt es andere Welten«, sagte Andrew jetzt, »und auf manchen gibt es Leben, manchmal sogar Intelligenz. Auf uns wartet viel Arbeit.«
    Zu der Koblerwelt, auf der sich die Hunde niedergelassen hatten, konnte Jenkins nicht aufbrechen.
    Vor langer Zeit, in den dunklen Anfangstagen, waren die Websters fortgegangen, damit sich die Kultur der Hunde ohne menschlichen Einfluss entwickeln konnte – und Jenkins musste es ihnen gleichtun, schließlich war auch er ein Webster. Also durfte er die Hunde nicht behelligen, er durfte sich nicht in ihr Leben einmischen.
    Mit dem Vergessen hatte er es schon versucht. Er hatte sogar die Zeit ignoriert – aber es funktionierte nicht, da kein Roboter vergessen konnte.
    Dabei hatte er immer geglaubt, die Ameisen wären nicht so wichtig.
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