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Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction

Titel: Als es noch Menschen gab - Roman - Meisterwerke der Science Fiction
Autoren: Clifford D Simak
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war, das die Ameisen umgebracht hatte.
    Ein ohrenbetäubendes Krachen hallte vom Rand des Horizonts wider, als ein weiterer Abschnitt des Daches einstürzte.
    Wonach strebte denn eine Ameise? Nun ja, sie strebte danach, sich zu schützen – aber wonach sonst? Vielleicht danach, möglichst große Vorräte anzulegen, der Erde alles zu entreißen, was irgendeinen Wert besaß, und für schlechte Tage zu horten. Nur wäre das auch wieder nur eine weitere Facette ihres Sicherheitsbedürfnisses. Vielleicht hatten sich die Ameisen einer Art Religion verschrieben – das Symbol auf den Ameisenhügeln, Joes zerstörerischer Fuß, konnte eine religiöse Bedeutung haben. Aber dann ging es wieder um dasselbe: um Sicherheit, diesmal für die Seelen der Ameisen. Vielleicht wollten die Ameisen auch den Weltraum erobern? Ja, vielleicht war ihnen das sogar gelungen, sinnierte Jenkins, denn einem solch kleinen Tier musste die Erde als Galaxie erscheinen. So hatten sie eine Galaxie erobert, ohne die geringste Ahnung zu haben, dass dahinter eine noch viel größere lag. Und auch darin, in der Unterwerfung einer Galaxie, konnte man ein Streben nach Sicherheit erkennen.
    Doch das war ja alles falsch! Jenkins rief sich zur Ordnung. Er schrieb den Ameisen menschliche Denkweisen zu, obwohl ihr Denken damit vielleicht gar nicht zu fassen war. Gut möglich, dass im Geist der Ameisen ein ganz eigenes Gemisch gärte, dass sie einer einzigartigen Vorgabe, einer geheimen ethischen Gleichung folgten, die niemals Teil des menschlichen Geistes gewesen war und niemals sein konnte.
    Da wurde Jenkins von kaltem Grauen gepackt, denn er erkannte mit einem Mal, dass er das Bild des Menschen gezeichnet hatte, als er das Bild der Ameise zeichnen wollte …
    Nachdenklich setzte er sich auf den nächsten Stuhl und blickte hinaus auf die Wiese, auf das Ameisengebäude, das noch immer in sich zusammenstürzte.
    Aber der Mensch, rief er sich in Erinnerung, hatte etwas zurückgelassen: die Hunde und die Roboter. Was hatten die Ameisen zurückgelassen? Hatten sie überhaupt etwas zurückgelassen? Nein, auf den ersten Blick nicht, aber woher sollte er das wissen?
    Auch ein Mensch konnte es nicht wissen, genauso wenig ein Roboter, denn ein Roboter war ein Mensch, zwar nicht aus Fleisch und Blut, aber in jeder anderen Hinsicht. Im Jura oder noch früher hatten die Ameisen ihre Gesellschaft errichtet, um dann über Millionen Jahre in dieser Struktur zu leben, und vielleicht mussten sie deshalb scheitern – weil die Hügelgesellschaft so tief in ihnen verwurzelt war, dass sie sich nicht davon lösen konnten.
    Und ich, fragte sich Jenkins, was ist mit mir? Ich bin ebenso tief in der menschlichen Gesellschaft verwurzelt wie eine Ameise in ihrer Gesellschaftsordnung. Es war zwar noch keine Million Jahre her, aber eine lange, sehr lange Zeit, die er freilich nicht innerhalb der menschlichen Gesellschaft, aber doch in der Erinnerung an diese Gesellschaft verbracht hatte. Und er hatte dieses Leben gewählt, begriff er jetzt, weil es ihm die Sicherheit einer uralten Erinnerung bot.
    Jenkins blieb ruhig sitzen, doch der Gedanke hatte ihn aufgewühlt – oder war es die Tatsache, dass er einen solchen Gedanken überhaupt zulassen konnte?
    »Niemals«, sagte er laut. »Wir kennen uns niemals.«
    Als er sich zurücklehnte, fiel ihm auf, wie wenig roboterhaft es war, auf einem Stuhl zu sitzen. Früher hatte er sich nie hingesetzt. Es liegt an dem Menschen in mir, sagte er sich. Jenkins erlaubte seinem Kopf, gegen die Lehne zu sinken, und fuhr seine optischen Filter herunter, bis alles Licht ausgesperrt war. Schlafen, rätselte er, wie wäre es, zu schlafen? Vielleicht hatte der Roboter, den er neben dem Ameisenhügel gefunden hatte … nein, der Roboter war tot gewesen, er hatte nicht geschlafen. Alles ist verkehrt, dachte Jenkins. Roboter schliefen nicht, Roboter starben nicht.
    Der Wind trug Geräusche heran. Das Ameisengebäude brach noch immer zusammen, und draußen auf der Wiese strich eine herbstliche Brise durch das Gras. Jenkins fuhr seine Sinne ein Stückchen hoch, um den Mäusen zuzuhören, wie sie durch ihre unterirdischen Gänge huschten, aber ausnahmsweise waren sie still. Sie kauerten sich zusammen und warteten. Er spürte, dass sie warteten – als ob sie wussten, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Dann kam ein anderes Geräusch auf, eine Art Flüstern – ein absolut fremdartiges Geräusch, das Jenkins noch nie gehört hatte.
    Er ließ seine Filter aufschnappen,
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