Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Autoren: Raimund August
Vom Netzwerk:
Bezirksgerichts Cottbus für Recht erkannt: Es werden verurteilt der Angeklagte Sebaldt zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren, der Angeklagte Kunzmann zu einer Zuchthausstrafe von sieben Jahren, der Angeklagte Nehring zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr.“ Kein Mucks, kein Aufstöhnen mehr, im Saal blieb es still.
    „Die haben ein Ding zu laufen“, murmelte Sebastian seinem Freund zu. Dann durften sie sich wieder setzen. Schlimmer als bei der Stasi kann’s im Zuchthaus bestimmt nicht sein, tröstete Sebastian sich.
    „Daneben werden gegen alle Angeklagten“, las die Richterin schließlich von einem Blatt ab, „die Sühnemaßnahmen aus der alliierten Direktive 38, Abschnitt II Artikel IX, Ziffer 3 bis 9 mit der Maßgabe angeordnet, daß die Beschränkung aus Ziffer 7 auf fünf Jahre erfolgt.“
    Unter den Ziffern und Abschnitten so einer Direktive konnten weder Sebastian noch die anderen beiden Angeklagten sich etwas vorstellen, bis das Gericht für Aufklärung sorgte.
    „Das heißt auch“, sagte die Richterin und sah dazu die drei auf der Anklagebank über den Saal hinweg an, „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte.“
    Sebastian jedenfalls konnte sich darunter wiederum nichts vorstellen. „Was sind bürgerliche Ehrenrechte im Zuchthaus“, fragte er hinter vorgehaltener Hand. „Hat man denn da überhaupt sowas?“
    „Ist’s etwa’ne Ehre DDR-Bürger zu sein?“ fragte Totila ohne die Lippen zu bewegen.
    Sebastian schüttelte unmerklich den Kopf: Für diese Richterin bestimmt, sagte er sich und für ‘ne Menge anderer Bonzen auch. Die Partei, die Partei, die immer Recht hat…
    „Zur Durchführung ihrer Kriegsvorbereitungen“, drang die Stimme dieser Frau wieder an sein Ohr; „ unterhalten die anglo-amerikanischen Imperialisten und die mit Hilfe des USA-Imperialismus wiedererstandenen deutschen Imperialisten Spionageagenturen in Westdeutschland und Westberlin.“
    Krieg? fragte Sebastian sich, wer will denn Krieg? So’n Blödsinn. Und ihm ging das Treffen mit diesen Herren aus Bonn oder Pullach im Winter in dem   Hotel in Grunewald durch den Kopf. Auf keinen Fall einen Krieg, hatten die damals gesagt und das war schon ernst gemeint.
    „Es gibt natürlich den gerechten Krieg“, hörte er die Bauchrednerstimme Totilas neben sich.
    Sebastian grinste ihn kurz an: „Selbstverständlich für den Frieden“, murmelte er.
    „Den Weltfrieden“, ergänzte Totila.
    Einigermaßen gefaßt ließen sie dann den Rest dieser Zeremonie über sich ergehen.
    Der Verrat seines langjährigen Freundes aus frühen Kindertagen hatte nicht zuletzt Sebastian, wenigstens anfangs, ziemlich zu schaffen gemacht, aber auch sowas wie eine Ahnung eigener Schuld an der Misere in ihm aufkommen lassen. Seine Blindheit ärgerte ihn. Es hatte viele Anzeichen gegeben, die er hätte bemerken müssen. Aber dann war dieser Sasse auch sein Freund gewesen, dem gleichermaßen Totila vertrauen mußte. Sie hatten sich das geschworen.
    Wie aus weiter Ferne näherte sich schließlich die Stimme der Richterin wieder, als sie sagte: „… Agenten im Gebiet der DDR anzuwerben und mit deren Hilfe auf allen Gebieten des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in unserem Arbeiter- und Bauernstaat auszukundschaften, sowie Stützpunkte für den beabsichtigten Krieg zu schaffen…“
    Wenn wir die Amis nicht hätten, ging es Sebastian durch den Kopf, säße der Ivan längst am Rhein und das hätten die natürlich liebend gern.
    Dann hörte er die Frau dort vorn wieder von „ direkten Sabotageakten“ reden, von „ Unsicherheit und Schrecken“, die damit unter der Bevölkerung verbreitet werden sollten.
    Unsicherheit und Schrecken verbreiten die doch längst selbst. Sebastian dachte an den Aufstand im letzten Sommer … „ Berliner reiht Euch ein, wir wollen freie Menschen sein.“ Er dachte an die Bahner, die er in Lübbenau getroffen hatte, mit ihren Transparenten. Angst und Schrecken, sagte er sich, und dachte weiter an die verschwundenen Menschen überall und die Spitzel, jeder wird beobachtet, jeder zieht den Kopf ein, dreht sich zehnmal um, bevor er was sagt. Und dann von Maßnahmen der Regierung zur ständigen Hebung des Lebensniveaus der gesamten Bevölkerung zu reden? Wenn man dabei nur an die Versorgungslage draußen dachte… aber die Bockwurst kostete nur noch 1,50…
    Dann wieder die Anklage: ihre Taten seien „ eine der gefährlichsten Formen der Kriegshetze“, seien „ aktive Teilnahme an der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher