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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Autoren: Raimund August
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sie hinzu, „sind die Angeklagten verurteilt worden.“ Dann schweifte ihr Blick wieder einen Moment lang durch den Saal. Schließlich raffte sie ihre Papiere zusammen und verließ den Richtertisch.
    „Die Verhandlung ist geschlossen“, das war die Stimme des Gerichtsdieners.
    Die drei Verurteilten sahen sich um und versuchten ihre Eltern ausfindig zu machen. Das Publikum begann sich bereits auf den Ausgang zuzubewegen.
    Als sie die Anklagebank verlassen wollten, trat ihnen wieder einer der Posten in den Weg: „Halt! So geht das nicht.“
    Sebastian, der bei dem ganzen Durcheinander im Saal nach seiner Mutter Ausschau gehalten hatte, sah sie schließlich mit dem Präses im Gespräch. „Ich denke, die hätten uns noch ganz anders behandelt“, wandte er sich an Totila, der neben ihm stand, „wenn die da nicht gewesen wären.“ Dazu wies er mit dem Kopf auf die Vertreter der evangelischen Kirche, die sich nun auch langsam auf den Saalausgang zubewegten.
    Keine Revision beantragen, hatten die Anwälte geraten und danach richteten die Verurteilten sich.
    Wieder in diesem Warteraum sah Sebastian durchs vergitterte Fenster bereits die längergewordenen Schatten der Nachmittagssonne in der Parkanlage. Zwei Krähen stolzierten dort gelassen zwischen den Sträuchern umher. Leider erwies sich der Anblick als Stummfilm, weil sich die Fensterflügel nicht öffnen ließen. Sonst wären sicher Finkenschlag und Amselflöten zu hören gewesen.
    „Sie können sich noch von Ihren Angehörigen verabschieden“, war den Dreien zuvor von den Wachtposten bestätigt worden.
    Endlich wurde dann auch die Türe aufgestoßen, „Zehn Minuten“, sagte einer der Posten und ihre Leute betraten den Raum: Pfarrer Kunzmann, Pfarrer Nehring, Sebastians Mutter und seine Schwester.
    „Ich staune ja“, sagte Sebastian, nachdem seine Mutter ihn umarmt hatte, „daß die Euch hier nochmal reinlassen und das ohne Aufsicht. Zehn Jahre“, meinte er dann, zog die Mundwinkel nach unten und wiegte den Kopf, „aber ihr habt ja auch gehört, was für Lappalien die uns vorgeworfen haben“, dazu sah er auch seine Schwester an.
    Seine Mutter winkte ab: „Hier geht’s ja wohl weder um Lappalien, noch um Taten, hier geht’s um Politik.“
    Sebastian nickte: „Gut, daß die Kirche dabei war“, erklärte er nach kurzer Überlegung, „ich hätte nämlich ebensogut fünfzehn Jahre kriegen können, oder auch lebenslänglich. Andererseits, zehn oder fünfzehn Jahre, was sagt das schon? Und Sasse hat ja auch längst nicht alles erzählt“, dann sah er sich kurz um, „von mir haben die nicht mehr erfahren“, sagte er in gedämpftem Ton. „Außer von Welzow und ein paar Flugblättern wissen die nichts Genaues. Ihr habts ja gehört.“
    „Ich hab mit diesem Präses Scharf gesprochen“, sagte seine Mutter.
    „Weiß ich“, bestätigte Sebastian, „hab’s gesehen.“
    „Na ja, alles was dieser Präses zu sagen hatte, war: Warum haben die sich auch auf sowas eingelassen.“
    Sebastian hob kurz die Schultern: „Die wollen keinen neuen Kirchenkampf.“
    In diesen wenigen Abschiedsminuten waren alle allein mit ihren Leuten beschäftigt, mit dem, was sie sich in der gedrängten Zeit noch sagen und mitteilen wollten.
    „Ich habe gehört, ich kann dich bei guter Führung alle Vierteljahre besuchen“, sagte Sebastians Mutter, „und zwanzig Zeilen monatlich schreiben“, fügte sie mit Tränen in den Augen hinzu.
    „Die durch ‘ne Zensur gehen“, warf Sebastian ein.
    „Noch fünf Minuten“, rief einer der Posten durch die offene Tür.
    Sebastian blickte nervös um sich: „Also macht euch keine großen Sorgen, außerdem werde ich eh nicht die ganze Zeit absitzen … Ja, und grüß’ Vati und die anderen“, dazu hob Sebastian wieder die Schultern, „mir fällt einfach nichts mehr ein“, sagte er. „Entschuldigt“, wandte er sich an Mutter und Schwester, „ich muß mich erstmal in all das hineinfinden.“ Dann lachte er kurz. „Ich war schließlich noch nie in einem Zuchthaus und dann auch noch hier im Osten. Totila geht’s ja genauso“, fügte er mit Blick auf seinen Freund hinzu, der mit seinem Vater etwas abseits stand. Dann sah er wieder zum Fenster hinaus: „Nur hatte ich“, sagte er ein wenig nachdenklich, „mit Sasse so nicht gerechnet.“
    „Ich habe dem ja nie getraut“, warf seine Mutter ein.
    Sebastian nickte: „Doch hier hilft jetzt kein Trübsal blasen“, fuhr er dann in plötzlich aufgeräumtem Tonfall fort,
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