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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Autoren: Raimund August
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hier nicht einfach so durch den Saal toben.“
    „Ich wollte nur meine Mutter begrüßen.“
    „Dazu haben Sie gleich noch Gelegenheit.“
    Staatsanwältin, sowie Richterin nebst Schöffen verschwanden eben durch eine Tür im Hintergrund. Schließlich schlüpfte auch der Stasihauptmann noch hinterher.
    Dann wurden die drei Angeklagten in einen leeren Raum mit vergittertem Fenster geführt. Hier sahen sie zum ersten Mal seit Monaten draußen in der parkähnlichen Grünanlage Bäume und Büsche in ihren Frühlingsfarben. So eindrücklich empfand Sebastian den Anblick, daß er ihn kaum für wirklich halten mochte und das Ganze gegen einen Himmel in einem transparenten Blau, für das ihm der abgedroschene Begriff „ himmelblau“ sehr passend schien. Für einen Moment war er von diesem Anblick förmlich überwältigt. So schön konnte die Welt, die Natur sein, wie er sie dort draußen durchs Gitterfenster sah. Das Schattenspiel der Sonne im Laub der Bäume schien von lauer Luft bewegt. Von der Sonne angestrahlt lag dieser Park dort vor ihm und rief förmlich danach einzutreten, wenn da die Gitter nicht gewesen wären und die Posten vor der Tür. „Toll sieht das dort draußen aus“, sagte er schließlich laut und Totila stimmte ihm nickend zu.
    „Was seht ihr denn da?“ fragte Freund Nehring, indem auch er zum Fenster trat.
    „Das ist doch schön“, sagte Totila, „dieser Frühling da draußen nach den grauen Wänden dauernd.“
    „Na, so ein erhebender Anblick ist das ja nun auch wieder nicht, diese vergammelten grauen Häuser da hinten.“
    „Na ja“, erwiderte Totila, „den übernächsten Frühling erlebst du ja schon wieder draußen. Bei mir sieht das anders aus.“
    „Und ich bin dreißig, wenn ich wieder rauskomme“, warf Sebastian ein und wandte sich vom Fenster ab.
    „Dafür wirst du später Bürgermeister von Cottbus“, erklärte Nehring.
    Sebastian lachte. „Das glaubst du … aber ich würde das gar nicht wollen.“
    „Na, du denkst doch nicht wirklich, daß diese DDR sich noch lange hält.“
    „Meine zwölf Jahre könnte das schon noch dauern.“
    „Ach Unsinn“, entschied Nehring, „nach 1945 wars ja auch schon mal so. Jeder Widerstandskämpfer wurde damals Bürgermeister. Totilas Schule in Senftenberg“, fuhr er fort, „heißt dann bald Totila-Kunzmann-Schule.“
    Sebastian quälte sich ein Lächeln ab: „Du kannst leicht witzeln mit deinen zwei Jahren.“
    Wolfgang Nehring grinste: „Dafür bin ich auch nur ein kleiner Mitläufer“, sagte er, „die Helden seid ihr.“
    Da öffnete einer der Posten die Tür und die Eltern der Angeklagten betraten den Raum. Pfarrer Kunzmann, Sebastians Mutter, Wolfgang Nehrings Vater, ebenfalls ein Pfarrer aus Ostberlin. Auch Sebastians Schwester war mit dabei. Alle schleppten sie Taschen und Beutel mit sich und ließen diese fallen. Es kam zu Umarmungen.
    „Dein Vater wollte sich das hier nicht antun“, sagte Frau Sebaldt schließlich. „Er hat sich freigenommen und ist zu einem Bienenzüchtertreffen nach Dresden gefahren.“
    „Das Beste, was er tun konnte“, sagte Sebastian. „Ist er verärgert?“
    „Nein, niemand ist verärgert. Oma hat ja erzählt, daß dich da Männer abgeholt haben.“
    „Bloß gut, daß sie dabei war“, stellte Sebastian fest.
    „Natürlich“, stimmte seine Mutter zu, „wir hätten ja sonst monatelang nicht gewußt, wo du geblieben bist, so konnten wir uns das denken. Sicher haben wir uns große Sorgen gemacht, schließlich wußten wir nichts Genaues.“
    „Na ja“, Sebastian wiegte den Kopf, „zwölf Jahre“, sagte er, „das ist ja nicht wenig, aber Sorgen müßt ihr euch jetzt trotzdem nicht machen. Ich steh’ das schon durch. Und wer weiß denn auch, was bis dahin alles passieren kann.“
    „Karin wollte dich unbedingt sehen“, sagte seine Mutter und Sebastian begrüßte die Schwester, die ihm etwas verstört erschien.
    „Der Sasse, der Lump“, sagte sie nur, „ein Freund, der seine Freunde verrät…“
    „Du siehst, wie’s geht“, sagte Sebastian „ der ist nicht hier, angeblich krank. Ansonsten ist er natürlich ein Friedenskämpfer. Ihr werdet ihn wahrscheinlich bald wieder in Großräschen zu sehen kriegen.“
    Dann packte Frau Sebaldt aus: Schokolade, gefüllte Waffeln und Apfelsinen aus Paketen von Verwandten im Westen. Bockwurst, gebratene kalte Schnitzel und Limonade waren auch dabei.
    Bei Kunzmann sah es nicht anders aus, auch hier Delikatessen vom Klassenfeind, genau wie bei
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