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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman
Autoren: Raimund August
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dir’s ja sagen“, dazu näherte er sich Sebastians Ohr, „meine Tage hier und in Großräschen sind gezählt. Die wollen mich möglichst schnell nach Westberlin versetzen. Das ist zwischen Kirche und Regierung so abgesprochen.“
    „Dann bleibt Totila als einziger zurück…“, warf Sebastian in gleichfalls gedämpftem Tone, aber mit leichtem Vorwurf in der Stimme ein.
    Der Pfarrer schüttelte den Kopf. „Wir können uns von Westberlin aus wesentlich besser um ihn kümmern.“
    Sebastian nickte. „Das mag sein“, sagte er, „ich denke auch das ist richtig, denn die würden hier Tag und Nacht nur hinter Ihnen her sein.“
    Der Pfarrer seufzte leise. „Tja“, sagte er, „wenn ich ein gesünderes Herz hätte, ich würde bleiben. Vor ein paar Tagen war ich zum Durchchecken hier in Cottbus im katholischen Krankenhaus.“
    „Im katholischen?“
    „Ja. Ein evangelisches gibt’s ja nicht. Man sagte mir unverblümt, es sei ein Wunder, daß ich noch lebe.“ Pfarrer Kunzmann hob die Schultern, „was bleibt mir dann noch?“
    „Und Totila?“
    Der Pfarrer nickte. „Der drängt mich ja förmlich, so schnell wie möglich nach Westberlin zu gehen.“
    „Das kann ich verstehen“, sagte Sebastian und sah sich nach Totila um, der mit Wolfgang Nehring und dessen Vater zusammen stand und alle drei lachten.
    „Ich geh’da mal kurz hin“, sagte er zum Pfarrer, bis gleich.“ Ein mutiger Mann, ging es ihm dabei durch den Kopf, und ein schwaches Herz…
    Totilas Freund schien irgendeine witzige Bemerkung gemacht zu haben. Sebastian trat zu ihnen. „Kaum zu glauben“, sagte er, „daß hier über zwanzig Jahre Zuchthaus versammelt sind.“
    „Ja eben“, erklärte Totila, „zum Trübsal blasen haben wir dann immer noch viel Zeit. Hier, iß“, und er hielt Sebastian eine Schinkenknacker unter die Nase.
    „Ich hab’ schon so viel durcheinander gegessen“, sagte der, „das kann nicht gut gehen“, biß dann aber doch in die Schinkenwurst. „Sowas werden wir die nächsten Jahre ja nicht mehr zu sehen kriegen“, bemerkte er kauend. „Das gibt’s ja nicht mal draußen, obwohl mir der Vernehmer erzählt hat, daß die Bockwurst jetzt nur noch einsfünfzig kostet.“
    „Wenn du sie überhaupt kriegst“, sagte Nehring. „Auch für drei Mark war das ja immer eine Rarität. Aber mich interessiert das alles nicht mehr“, sagte er, „ich gehe in jedem Fall nach drüben.“
    Sebastian nickte zustimmend. „Hier kannst du sowieso keinen Blumentopf mehr gewinnen. Weiterer Widerstand wäre für dich sinnlos. Von drüben aus kannst du wahrscheinlich mehr erreichen.“ Dann blickte er sich um. „Ich muß ja Karin noch was sagen.“ Die sah er mit seiner Mutter und Pfarrer Kunzmann in der Nähe des Fensters stehen.
    Sebastian ging zu ihnen. „Hör mal“, wandte er sich dann an seine Schwester, „du kennst doch den Rössl, Werner Rössl aus meiner Klasse damals.“
    „Ja klar, ich kenne auch seine Schwester, nicht in meiner, aber in der Parallelklasse.“
    „Gut. Siehst du den Werner manchmal?“
    „Kaum.“
    „Aber seine Schwester?“
    „Ingrid Rössl, ja, fast jeden Tag.“
    „Dann sag’s ihr: Einen schönen Gruß von mir. Die Stasi hat über ihren Bruder eine ganze Akte angelegt. Er wird beobachtet. Die haben mir die Akte gezeigt, das heißt, das dort eingeheftete Foto von ihm, mit einer Art weißer Chrysanthemenblüte am Revers, vielleicht aus ‘ner Schießbude vom Rummelplatz. Jedenfalls wollten die wissen, worüber wir im Kurmärker im September am Kneipentisch gesprochen haben. Ich weiß nicht mehr an welchem September, aber die hatten mir das genaue Datum genannt.
    An die Themen konnte ich mich aber beim besten Willen nicht mehr erinnern, irgendwelche Belanglosigkeiten. Interessant ist nur“, wandte er sich auch an den Pfarrer und an seine Mutter, „daß die anscheinend jeden beobachten. Wie soll man sich das sonst erklären? Der Rössl ist doch völlig harmlos, der will mal Lehrer werden. Die müßten dazu doch Hunderttausende von Spitzeln eingesetzt haben, die den ganzen Tag hinter den Leuten herschleichen und die Löffel spitzen.
    Ich wußte ja, daß es diese Spitzel gibt, aber so hab’ ich mir’s dann doch nicht vorgestellt, das ist einfach erschreckend. Da fragten die mich doch, warum ich am Soundsovielten, die hatten das genaue Datum notiert, bei einem sowjetischen Film das Kino vorzeitig verlassen habe. Was soll man dazu schon sagen? Ihr kennt ja diese politischen Schinken, man geht da am
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