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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman
Autoren: Caroline Vermalle
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wieder zurückkehren.
    Und ich armer Wicht, auch ich nahm in der Kapelle Abschied von Jacqueline. Ich setzte mich auf das erstarrte Wachs eines Windlichtes, damit meine Flügel sich ausruhen konnten. Auf Wiedersehen, meine Schöne. Noch bin ich nicht tot, ich atme noch, bevor ich mich mit dem Staub vereinen werde. Ich warte auf den Wind, damit er mich mitnimmt und mir das Ende deiner Geschichte erzählen kann.

49
    Der liebe Gott gestand mir noch ein paar Tage zu, sodass ich mir den Rest der Geschichte anhören konnte. Zephyr, der treue Zephyr, kam zu mir und erzählte mir, was er gesehen hatte. Am Samstag, dem 10. August, warteten Paul und Marcel im fahlen Licht der Morgendämmerung an dem verlassenen Strand in Notre Dame de Monts auf Pilou. Sie saßen auf den Dünen und schauten aufs Meer.
    »Ich glaube, ich habe eine gesehen«, sagte Paul plötzlich.
    »Eine was?«
    »Eine Supernova. Ich habe die Koordinaten an die Leute in New York geschickt, damit sie es überprüfen, aber ich bin ziemlich sicher.«
    »Glückwunsch!«, rief Marcel und klopfte Paul auf die Schulter. »Was bedeutet das? Wird dein Name jetzt auf den Teleskopen stehen?«
    »Das bedeutet, dass ich das Licht von etwas gesehen habe, das sich zu Anbeginn der Welt ereignet hat. Unddas ist eine tolle Sache. Eine riesige Lichtexplosion, die das ganze Universum erhellt hat, aber niemand wusste es, weil die Energie all die Zeit brauchte, um uns zu erreichen. Es war nur ein winziger Schimmer, doch es war das Schönste, was ich jemals im Leben gesehen habe.«
    »Ich freue mich für dich, alter Junge.«
    Marcel schaute auf die Uhr. Es war 5.40 Uhr.
    »Pilou ist immer noch nicht da. Ich hoffe, er kommt bald. Lange kann ich nicht mehr warten.«
    »Es gibt da etwas, was ich dir schon immer sagen wollte«, begann Paul nach einem Moment des Schweigens mit ernster Stimme. »Aber irgendwie habe ich es nie geschafft. Du wirst vielleicht sagen, dass es längst verjährt ist. Es geht um die Zeit, als ich noch Priester war.«
    »Ist das wieder so eine von deinen Metaphern, oder hat es wirklich etwas mit mir zu tun?«, unterbrach Marcel ihn.
    »Ja, das hat es.«
    »Okay, wenn wir über deine Zeit als Priester sprechen, dann hätte ich noch etwas, was du für mich tun kannst«, sagte Marcel und starrte auf die Gischt.
    »Und das wäre?«, fragte Paul ängstlich.
    »Ich möchte, dass du mir die Absolution erteilst.«
    Paul begann zu lachen.
    »Weißt du, Paulo«, fuhr Marcel in ernstem Ton fort, »es macht mir nichts aus, dumm zu sterben. Damit habe ich mich allmählich abgefunden. Aber man weiß eben nicht, was man auf der anderen Seite der Wellen vorfindet. Und da ist es mir lieber, für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.«
    Die lateinischen Worte verschmolzen mit dem Gesangder Wellen und der Brise, die durch die Strohblumen strich. Dann herrschte einen Augenblick Stille, und kurz darauf hörten sie ein Auto auf dem Parkplatz. Es waren Pilou und Ginette.
    Pilou drückte Marcel kräftig die Hand. »Bist du sicher? Du musst es nicht tun.« Statt ihm eine Antwort zu geben, schnallte Marcel, der einen Neoprenanzug trug, sich den kleinen, wasserdichten Rucksack auf den Rücken und verabschiedete sich. Dann ging er aufs Ufer zu, trat ins Wasser und schwamm, ohne sich umzudrehen, zur Ile d’Yeu.
    Pilou, Ginette und Paul standen am Strand und wussten nicht, was sie sagen sollten. Sie hatten ein schlechtes Gewissen, weil sie Marcel nicht mit aller Deutlichkeit klargemacht hatten, dass es verrückt war, dass es noch nie jemand versucht hatte und dass er ertrinken würde. Vielleicht hatten sie seinen Plan zu sehr auf die leichte Schulter genommen und Marcel ebenfalls. Und jetzt standen sie hier, und er war fort.
    »Jedenfalls bekommen wir schönes Wetter«, meinte Ginette und steckte die Hände in die Taschen.
    »Hm«, murmelte Pilou und schaute skeptisch auf den Himmel. »Hm.«
    Sie blieben am Ufer stehen, bis sie Marcel in dem ruhigen braunen Wasser nicht mehr sehen konnten. Pilou wandte sich zum Gehen. Paul stand noch immer da und starrte auf den Horizont. Ginette bekreuzigte sich. Kurz darauf lag der Strand wieder verlassen da, und Skiron nutzte die Gelegenheit, um aus seinem Versteck hinterden Kiefern hervorzukommen.

50
    Während der ersten drei Stunden fühlte Marcel sich unbesiegbar. Er war ein geübter Schwimmer und kam schnell voran. Das Wasser war ruhig und schien ihn zu tragen. So weit konnte Port-Joinville gar nicht entfernt sein, denn er sah die helle
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