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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman
Autoren: Caroline Vermalle
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Bettwäsche auf der Leine, Nanes neuer Haarschnitt, das Geheimnis, das sie ihr anvertraut hatte. Jacquelines Blick wanderte durch den Raum, in den das erste Licht fiel, und blieb auf der Jungfrau der Zärtlichkeit in dem billigen, kleinen Rahmen haften. War alles nur ein Traum gewesen? Hatte sie das Geheimnis gelüftet und Nane alles erzählt? In der Ferne fuhr ein Auto vorbei. Jacqueline lauschte, bis das Geräusch verklang. Nein, es war kein Traum, und der nächste Tag brach schon heran. Sie schloss die Augen. Ihr Leben zog an ihr vorbei: die Vergangenheit und vor allem die Gegenwart. Heute würde sie zu der Immobilienagentur gehen und den Vertrag für das Haus unterschreiben. Ein neues Leben würde beginnen. Jacquelines Blick fiel auf Perpétues Brief. Sie hatte gestern vergessen, mit Nane darüber zu sprechen. Das musste sie heute unbedingt nachholen.
    Zu dieser frühen Stunde schlief Nane sicherlich noch. Auf Jacquelines kleiner Golduhr war es zwanzig vor sechs. Die Agentur öffnete erst um zehn Uhr. Nachdem Jacqueline sich angezogen und geschminkt hatte, nahm sie den Strohhut, das Fahrrad und fuhr los. Ich folgte ihr, ohne zu ahnen, dass ich meinen Sommerflieder nicht wiedersehen würde.
    Jacqueline war in sonderbarer Stimmung. Über den goldenen Feldern ging die Sonne auf, und sie wusste, dass sie weder Freude noch Trauer empfand. Sie fuhr am Flugsportverein vorbei und an Maulbeerbäumen, die die Straße säumten. Eine einsame Schönwetterwolke zog über den blauen Himmel und schien ihr zu folgen. Das konnte natürlich niemand anderes als Apeliotes sein. Jacqueline fuhr in den beginnenden Tag hinein. Auf einem Schild stand Plage des Sabias. Sie war keine ganz andere und auch nicht mehr ganz dieselbe. Jacqueline atmete die frische Morgenluft ein und spürte ein Gefühl der Leere im Magen.
    Vor dem Strand ließ sie das Fahrrad stehen, kettete das rote Sicherheitsschloss an, und als sie sich wieder aufrichtete, schmerzten ihre Glieder. Vor ihr lagen der rötlich schimmernde Sand, die mit Grün überzogenen Felsen und das blaue Meer, das am Ufer kristallklar schimmerte. Jacqueline war allein mit zwei kleinen Booten, deren reglose Masten in den Himmel ragten. Immer noch diese Unschlüssigkeit in ihrer Seele, die sie nicht in Worte zu fassen vermochte. Sie ließ die Umkleidekabinen aus blauem Holz weiterschlafen und stieg zu der alten Burg hinauf. Auch sie stand verlassen und allein am Ufer des funkelnden Meeres. Der Morgenwind verteilte den Duft der Strohblumen in dieser einsamen Landschaft, die die Felsen säumten. Jacqueline ging weiter, stieg im Sonnenschein die Felsen hinauf und hinunter, folgte dem Ufer und vergaß ihr Fahrrad, das sie an der Plage des Sabias zurückgelassen hatte. Begleitet vom Summen der Insekten und den Schreien der Möwen, die vor den Menschen erwachten, setzte Jacqueline ihren Spaziergang fort. Sie lief durch das hohe Gras und die Disteln. Kurz darauf kam sie am Trou de l’Enfer vorbei, wo die Gischt die glänzenden schwarzen Felsen mit weißem Schaum bespritzte. Die Brandung inszenierte ein wunderschönes Schauspiel, obwohl niemand da war, um es zu bestaunen. Jacqueline ging am Grand Vilain und an der Pointe de la Père vorbei, bis sie den kleinen Ort Port de la Meule sehen konnte. Und dahinter thronte hoch oben Notre Dame de Bonne Nouvelle.
    Am Hafen herrschte schon reges Treiben. In der Ebbe neigten sich die Masten der kleinen Boote zur Seite. Die Stimmen einiger Fischer hallten von den Fischerbooten herüber. Das Knattern eines Mofas, rote Dächer, blaue Fensterläden, die geöffnet wurden. In der Nähe der Felsen stieg sie zum Hafen hinunter. Vielleicht lächelte sie. Jacqueline spazierte am Hafen entlang bis zu einem kleinen Café, wo ein Kellner gerade die Plastikstühle auf den Bürgersteig stellte. Das Blubbern der Kaffeemaschine, der leise Wind in den Glyzinien. Auf der anderen Seite des Hafens stieg sie die Felsen wieder hinauf. Schließlich erreichte sie atemlos die kleine Kapelle Notre Dame de Bonne Nouvelle, ging an ihr vorbei und schaute aufs Meer, das gegen diese schöne Insel brandete.
    Vorsichtig schritt Jacqueline über das unwegsame Gelände und näherte sich den Klippen am Rande des Abgrunds. Unter ihr das grüne Meer und Felsen, die den Horizont säumten, der ihr allein gehörte. Seufzend setzte sie sich ins Gras. Und als sie allein inmitten der verlassenen Landschaft saß, begriff sie, was in ihr vorging.
    Nichts.
    Die Stimme, die sie in den klarsten und einsamsten
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