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Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)

Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)

Titel: Als das Glück zu Frieda kam - ROTE LATERNE Band 1 (German Edition)
Autoren: Lisa Thomsen
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habe sie eigens für diesen Abend einen Benimm-Kurs absolviert. Alles an Frieda war die personifizierte Eleganz.
    »Duuu?«, fragte Olga, und ihre Blicke erinnerten nun an die einer Kuh. »Du hast dat aufgemacht hier? Du hast dich mir vor die Nase gesetzt?«
    »Ja, ich«, sagte Frieda. »Wer will mir das verbieten?«
    »Du willst mich kaputtmachen?«
    »So ist dat«, sagte Frieda mit schamloser Ehrlichkeit. »Mein ganzes Leben lang habe ich auf diesen Augenblick warten müssen. Und nun ist er da, Olga Zunder. Nun ist es vorbei mit deiner Herrschaft. Was bist du denn jetzt noch? Leidtun mir nur die Mädchen, denn denen wirst du es nicht anders machen, als allen anderen zuvor ...«
    »Bei mir hat es jeder gut gehabt«, versuchte Olga sich zu verteidigen.
    Ein helles Auflachen von Frieda war die Antwort.
    »Du lügst dich noch selbst an«, sagte sie dann. »Du kannst bei mir als Putze anfangen. Ich werde dir keine Gelegenheit geben, eine Pulle Schnaps zu klauen und sie in der Küche unter dem Spülstein zu verstecken. Falls du etwas trinken möchtest, so kannst du dir an der Bar etwas holen. Bestell dir, was du willst. Ich halte Wort. Immer!«
    Und dann stand Olga Zunder hilflos und wie verloren mitten im Raum. Um sie herum standen die Dirnen. Das Lächeln der einen war hämischer als das der anderen.
    Olga holte sich nichts zu trinken. Nach einer kleinen Weile drehte sie sich um und tappte schwerfällig zur Tür. Das Wasser rann ihr aus den Augen und grub Rinnen in die dicke Schminke. Nun heulte Olga zum ersten Male nicht des Geldes wegen. Sie heulte ganz tief aus ihrer Seele heraus und empfand zum erstenmal in ihrem Leben, was ihr bisher fremd gewesen war: Sie empfand abgrundtiefe Verletzung, die sie mehr spürte, als Geldverlust oder körperliche Schmerzen …
     
    *
     
    Mit der Weinstube ging es bergab. Puppchen, Meta und Alma blieben bei Frieda. Das Haus war groß genug, und Frieda war, was die Miete anlangte, nicht unverschämt. Sie machte den Mädchen keine Vorschriften und hatte bei allem Tun ihr eigenes Schicksal vor Augen.
    Und Franz?
    Er hatte es noch nicht geschafft, ihr diesen inszenierten Bahnhofsüberfall zu beichten. Jeden Tag nahm er sich das neu vor. Doch scheute er sich vor der Enttäuschung, die er Frieda möglicherweise damit bereiten musste.
    Auf die Heirat kam Frieda nicht mehr zurück, nachdem Franz immer wieder einmal gezögert hatte, wenn sie wie zufällig die Rede darauf brachte.
    »Na ja«, hatte sie gemeint. »Es muss auch so gehen. Hauptsache, du bist mir treu!«
    »Das bin ich«, versicherte er aufrichtig, und er war es tatsächlich. Im Bahnhofsmilieu ließ er sich nicht mehr blicken. Und immer hatte er Angst, das Milieu würde eines Tages zu ihm kommen und sich das holen wollen, was er einmal versprochen hatte.
    Ganz prächtig lief das »Paradiesgärtchen«. Nach kurzer Zeit baten auch ein paar junge Dirnen, bei Frieda arbeiten zu dürfen, und in bestimmten Kreisen wurde Friedas Haus als Geheimtipp gehandelt. In die früher so triste Bordellstraße kam Leben. Davon profitierten nicht zuletzt die Mädchen, die hier arbeiteten.
    An den Nachmittagen hatte es Frieda zur Gewohnheit gemacht, dass das Lokal dem allgemeinen Publikum verschlossen blieb.
    »Da mach ich nur für privat für die Mädchens«, erklärte Frieda ihrem Franz. »Dat sie merken, wo sie Menschen sind. Dann können sie schön unter sich sein und kriegen einen ausgegeben. So muss dat sein.«
    Und'Frieda Paluschke, die so lange in Verachtung und Elend gelebt hatte, spürte zum erstenmal etwas Neues und Beglückendes: Sie empfand Liebe und Zuneigung.
    Wann immer jemand Kummer und Sorgen hatte, kam er zu Muttchen Paluschke, wie sie genannt wurde. Und sie war eine Mutter: eine mit einem riesengroßen Herzen und einem offenen Ohr. Kein Problem war zu groß für sie, um es nicht lösen zu können, und sie besaß das seltene und grenzenlose Vertrauen der Dirnen.
      Plötzlich war sie die ungekrönte Königin der Halbwelt. Aber sie blieb bescheiden, und ihre heimlichen Sehnsüchte schloss sie tief in ihre hintersten Herzwinkel ein. Noch immer träumte sie von Südfrankreich, von den süßen Düften und der untergehenden Sonne am Meer. Aber sie sprach nicht mehr davon. Die Träume waren ihr genug.
    Während die Zeit voranschritt, sah man Olga Zunder nur sehr selten. Sie hatte ihre Weinstube geschlossen und die Fensterscheiben des Hauses wurden allmählich immer blinder. Es gab niemanden, der sie geputzt hätte. Ab und zu sah man Olga
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