Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alphavampir

Titel: Alphavampir
Autoren: Sandra Henke
Vom Netzwerk:
schien, war erst nach der ersten Wandlung aufgetreten, denn im Fell ihrer Timberwölfin gab es neben weißen und schwarzen Stellen auch fuchsrote.
    Dein Fell erinnert mich an das einer Glückskatze, hatte ihr Geliebter einst zu ihr gesagt. Damals hatte Nanouk noch an ihr gemeinsames Glück geglaubt. Jetzt waren sie und ihre Wölfin allein.
    Aber nein, das war nicht korrekt, korrigierte sie sich. Im Rudel war man nie allein und ihr Geliebter war noch da, wenn auch nur noch in der Rolle des Freundes und Beschützers.
    Nanouk lief genauso gern wie ihre Timberwölfin. Sie war so schön wie ihre Wölfin, ebenso zierlich und dennoch wendig, kräftig und voller Energie. Sie war eins mit ihr, mehr als sich jeder andere Werwolf mit seinem Tier verbunden fühlte.
    Als sie aus dem kanadischen Iqaluit nach Anchorage, Alaska, emigrierte, hatte Nanouk mit ihrem Aussehen gehadert. Als Inuit besaß sie die mandelförmigen Augen ihrer mongolischen Vorfahren. Doch genauso wie sie aus den Attributen ihrer Wölfin Nutzen zog, hatte sie diesen vermeintlichen Makel zu ihrem Vorteil genutzt. Wenn sie ihre Augen zusammenkniff, waren sie nur noch Schlitze. Ihr Blick war der stechendste von allen im Rudel! Aber sie hob sich noch durch eine weitere Besonderheit von den anderen Gefährten ab, etwas, das bisher unerreicht war und für das die anderen sie bewunderten.
    «Genug der Eitelkeiten», mahnte Lupus. Obwohl er alt aussah, war er keineswegs gebrechlich und ging energisch zum Eingang des Theaters. Nanouk folgte ihm und lächelte in sich hinein, denn je näher Lupus dem Entree kam, desto mehr ließ er seine Schultern hängen. Er ging plötzlich leicht nach vorn gebeugt und keuchte, als würde jeder Schritt ihm Mühe bereiten.
    Der Einlass sah wenig einladend aus. Der blaue Putz war inzwischen gräulich und blätterte an vielen Stellen ab. Ein Mensch hätte es bei Nacht nicht erkennen können, doch Nanouks Augen waren scharf und sie erkannte, dass die Regenrinne notdürftig geflickt und mit einem Seil festgebunden worden war. Nanouk machte sich zum Sprung bereit, falls das Holzschild über der Tür, auf dem in kobaltblauer Farbe linkisch Nostalgia Playhouse gepinselt worden war, herunterfallen würde, denn es hing so schief, dass es aussah, als würde es jeden Moment unter der Last des Schnees abbrechen. Alte, vergilbte Plakate vergangener Vorführungen hingen noch immer in den Schaukästen, deren Glasscheiben zerborsten waren. Jemand hatte einen roten Clown aus Pappmaschee vor ein Loch im Mauerwerk gestellt, durch den Schnee waren dessen Ränder bereits aufgeweicht.
    Wer trat schon in solch einem Theater auf? Entweder Künstler, die jedes Engagement wahrnehmen mussten, weil die Geschäfte schlecht liefen, oder Illusionisten, denen die Vorstellung unwichtig war, weil sie in Wahrheit andere Intentionen verfolgten. Jedenfalls setzten diese Show-Magier weitgehend auf Mundpropaganda, denn nichts wies auf die Veranstaltung hin.
    Merkwürdig, dachte Nanouk. Ob das Gerede tatsächlich stimmte? Die Gerüchte, die in Anchorage kursierten, hatten das Rudel genauso angelockt wie die anderen Zuschauer, nur dass sie nicht aus Sensationsgier gekommen waren, sondern aus Gründen der Schadensbegrenzung. Ihre Timberwölfin wetzte bereits ihre Krallen.
    Am Kartenschalter angekommen, stützte sich Lupus am Tresen ab, holte ein Stofftaschentuch aus seiner Jackentasche und wischte sich damit über die Stirn. «Zwei Eintrittskarten für mich und meine Enkelin.»
    Nanouk griff ihm unter die Arme. «Lass mich das doch machen, Väterchen.»
    «Nein, nein», gab er grantig zurück. «Ich habe gesagt, ich lade dich ein, um dir echte Magie zu zeigen und nicht so einen Copperfield-Humbug, der nur noch aus Hightech besteht, anstatt guter alter Handarbeit. Habe ich recht, mein Junge?»
    Der junge Mann, der hinter dem Schalter in einem Glaskasten saß, krauste irritiert seine Stirn. Er musste um die achtzehn Jahre alt sein, und war es wohl nicht gewohnt, dass man ihn ansprach. Die Besucher kauften nur ihre Eintrittskarten und gingen schleunigst hinein. Vielleicht lag seine Schüchternheit auch an der Hasenscharte, die seine Oberlippe spaltete und eine Furche bis zur Nase zog. «Nun, ja ... also ... ganz so einfach sind unsere Zaubertricks auch nicht.»
    «Wie heißen Sie, mein Freund?» Lupus schenkte der Schlange, die sich hinter ihnen bildete, weil er den Kartenverkäufer in ein Gespräch verwickelte, keine Beachtung und nahm zwar die beiden Karten an, reichte jedoch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher