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Alphavampir

Titel: Alphavampir
Autoren: Sandra Henke
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Obwohl sie nichts Auffälliges wahrnahm, fühlte sie sich beobachtet. Es war nicht die Angst in eine Falle gelaufen zu sein, die sie unruhig machte, sondern sie wusste , dass irgendwer aus dem Verborgenen heraus das Publikum einem prüfenden Blick unterzog. Ihre Wölfin knurrte und Nanouk presste ihre Lippen aufeinander, damit das Knurren nicht nach außen drang.
    Matt Jerkins drängte sich in ihre Sitzreihe und trat den Zuschauern, die bereits saßen, auf die Füße. Er schnalzte, da sich kurz vor ihm jemand auf den Stuhl neben Lupus setzte. Achselzuckend ließ er sich neben Nanouk nieder und grinste sie an. «N’abend.»
    Alles an ihm stank nach billigem Tabak: sein Atem, seine Kleidung und seine strähnigen Haare. Für die feine Nase eines Werwolfes war der Gestank penetrant. Nanouk hatte kein Problem damit, unhöflich zu sein, begutachtete ihn abfällig von oben bis unten und wandte sich von ihm ab.
    Es war offensichtlich, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte, doch das scherte ihn nicht. «Ich kenne Ihren Freund.»
    «Großvater», korrigierte sie den Reporter und bereute es sofort. Nun würde er erst recht keine Ruhe geben.
    Jerkins blätterte eine Seite seines Blocks um und hielt den Stift bereit. «Ja, klar. Die Ähnlichkeit is’ frappierend.»
    Sie ignorierte den Seitenhieb auf ihr indianisches Aussehen und atmete erleichtert aus, als das Deckenlicht erlosch. Nun wurde der Raum nur noch von Kerzen erhellt, die auf hüfthohen Metallständern standen und vorwiegend um die Bühne drapiert worden waren. Am liebsten hätte sie sich durch die Augen ihrer Wölfin umgeschaut, weil deren Sinne ausgeprägter waren, doch mit Jerkins an ihrer Seite durfte sie das Risiko nicht eingehen.
    Die Kerzen rahmten das Podest ein und tauchten die altmodischen Requisiten in ein geheimnisvolles Zwielicht. Nanouk fühlte sich zurückversetzt in längst vergangene Zeiten. Lass dich nicht durch die Faszination ablenken, ermahnte sie sich.
    «Wonach riecht es hier?», fragte sie Lupus flüsternd.
    «Lemonengras und süße Lavendelblüten.»
    Sie sah ihn verwundert von der Seite an. «Wie bitte?»
    «Diese Kombination neutralisiert angeblich Gerüche. Unsere Nachbarin benutzt Kerzen, die genauso einen Duft verströmen. Aufdringlich! Besonders für die Nase eines ...» Er beendete den Satz nicht, sondern stopfte verlegen seine Mütze in die Jackentasche. «Sie behauptet, ihr Mann würde in der Wohnung rauchen, aber man riecht es nicht. Angeblich wegen der Kerzen. Wenn du mich fragst, ich glaube eher, er geht zum Rauchen auf den Balkon.»
    «Egal, ob die Neutralisierung funktioniert oder nicht, sicher ist, dass der Zitronen-Lavendel-Duft alle anderen Gerüche verfälscht oder sogar überlagert.» Er verstand ihre Anspielung. Nanouk schielte zu Jerkins, der sich in einer derart krakeligen Schrift Notizen machte, dass sie die Wörter nicht entziffern konnte.
    Der Reporter neigte sich vor, um sich in das Gespräch einzuklinken und Lupus anzusprechen, doch bevor er etwas sagen konnte, riss Nanouk ihn am Hemdkragen zurück und fauchte: «Pst.»
    «Die Lady scheint Haare auf’n Zähnen zu haben, was?» Er zwinkerte und wischte sich mit dem Handrücken die Reste seiner feuchten Aussprache vom Mund. «Ich mag Weiber mit Biss.»
    Sollte das eine Anspielung sein? Nein, unmöglich. Claw hatte Jerkins aufgehalten, bevor dieser etwas herausgefunden hatte. Oder hatte er nach seinem Zusammenstoß mit dem Alpha vor einigen Monaten doch heimlich weitergeforscht? Obwohl Nanouk aufgewühlt war, hielt sie ihre kühle Fassade aufrecht.
    Die Vorstellung begann. Der Magier Radim trat auf die Bühne, ein hochgewachsener Mann, der sich verbeugte und dabei seinen Zylinder lüftete. Er stieß mit seinem Kopf beinahe an die von der Decke hängende Dekoration – ein schwarzes Tuch, auf dem Sterne gestickt waren. Er trug ein braunes Untergewand mit Borkateinsätzen und Silberborte, darüber einen dunkelgrünen Samtmantel und Bänderstickereien. Sein braunes Haar schmiegte sich dank eines Kilos Pomade wie eine zweite Haut an seinen Schädel, der schnittig wie der eines Windhundes war. Seine Augenbrauen waren über der Nasenwurzel zusammengewachsen. Der Volksmund bezeichnete dies als Stigma eines Werwolfs. Das war ebenso ein Mythos, wie die Unsterblichkeit der Werwölfe. Das Tier in ihnen verlängerte ihre Lebenszeit lediglich, weil es den menschlichen Körper stärkte.
    «Verehrtes Publikum, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer Show der besonderen
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