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Alphavampir

Titel: Alphavampir
Autoren: Sandra Henke
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ein Leben als Lykanthrop entschieden. Sie hatte die Entscheidung nie bereut, wohl aber den Grund.
    Neben ihr spannte sich Lupus an.
    «Was ist los?» Sie schaute in dieselbe Richtung wie er. Ein schmieriger Kerl, der ständig seine Hose hochzog, weil sie zu groß war und drohte, ihm über die Hüften zu rutschen, stand mit einem Block in der Hand neben einem Mann, der einen nachtblauen Samtanzug trug.
    «Jarek ist mein Name. Ich bin der Manager der Illusionistenshow. Wenden Sie sich bei allen Fragen ausschließlich an mich.» Der Mann im Anzug lächelte freundlich, aber seine Stimme klang bestimmend. Seine Wangen hingen wie bei einem Bernhardiner, als wäre er früher einmal füllig gewesen und hätte sehr schnell viel Gewicht verloren.
    «Und Ihr Nachname?» Der Dürre zückte seinen Kugelschreiber so schnell, als wäre das Schreibgerät eine Schusswaffe und er inmitten eines Duells.
    «Nur Jarek.»
    Ungeduldig tippte der Dürre mit der Kuli-Miene auf den Block. «Jeder hat ’n Nachnam’n.»
    «Wir Künstler sind bescheidene Leute und haben keine.» Jarek benässte Zeigefinger und Daumen mit der Zungenspitze und zwirbelte die Enden seines Oberlippenbarts.
    «Aber Sie sagt’n doch, Sie sind der Manager und keiner der Zauberer.» Misstrauisch spitzte der Besucher die Lippen.
    Jarek zeigte auf den Fotoapparat, der um den sehnigen Hals seines Gegenübers hing. «Darf ich Ihre Fotokamera haben?»
    «Auf kein’ Fall. Ohne die fühle ich mich nackt.» Der Magere lachte obszön.
    Jarek säuselte ein solch zuckersüßes «Bitte», dass Nanouk glaubte, die Süße auf ihrer Zunge zu schmecken.
    Der Mann legte den Kopf schief, nicht etwa so, als würde er darüber nachdenken, sondern als wäre dieses einzelne Wort wie eine Münze, die in einen Apparat – ihn – geworfen worden wäre; sie fiel klackernd durch die Instanzen, um schlussendlich den Mechanismus zu betätigen und den gewünschten Effekt auszulösen. Verwirrt dreinschauend übergab er dem Manager seine Kamera.
    «Herzlichen Dank. Viel Spaß bei der Show und schreiben Sie nur Gutes über uns!» Energischen Schrittes verschwand Jarek mit dem Fotoapparat.
    «Wer ist das?», fragte Nanouk leise.
    «Matt Jerkins», Lupus schnaubte angewidert, «der Reporter, der an Talas Fersen klebte, bis Claw ihm einen Denkzettel verpasste. Für eine gute Story geht er über Leichen. Er folgt jeder Spur, auch wenn sie noch so abstrus erscheint, selbst für Bigfoot-Sichtungen ist er sich nicht zu schade. Wenn er einen echten Werwolf vor die Linse bekäme, wäre das für ihn wie ein Sechser im Lotto.»
    Jerkins’ Blick fiel auf Lupus. Ein schmieriges Amalgamlächeln erblühte auf seinem Gesicht. Auch er erkannte Lupus wieder.
    Feindselig schaute Nanouk zurück, doch ihre Signale prallten an dem Reporter, der es gewohnt war, dass ihm Abneigung entgegenschlug, ab. «Dann hoffen wir mal, dass sich die Gerüchte, die uns hierher geführt haben, als unwahr entpuppen.»
    Angeblich würde sich während der Vorstellung ein Mann in einen Wolf verwandeln. Dem mussten die Lykanthropen unbedingt nachgehen, weil sie durch die Show Gefahr liefen, entdeckt zu werden. Jemanden wie Jerkins konnten sie bei ihren Nachforschungen ganz und gar nicht gebrauchen, denn er war ein Multiplikator!
    Sollte er einen Artikel an eine der hiesigen Zeitungen verkauft bekommen – und mit einem Foto eines sich verwandelnden Werwolfes wäre ihm das gewiss –, wäre das eine Katastrophe. Durch die Lokalpresse würden die landesweiten Medien aufmerksam werden, bald darauf würde die Stadt nur so von Pressevertretern aus der ganzen Welt wimmeln ... und die Jagd auf das Rudel wäre eröffnet.
    So unbedeutend wie Jerkins war, er besaß die Macht, eine Lawine loszutreten, und das machte ihn zu einem nicht zu unterschätzenden Gegner.
    Ein Gong ertönte. Aufgeregt strömten die Besucher in den kleinen Saal. Es waren zirka dreißig Zuschauer gekommen, damit war die Mitternachtsshow ausgebucht. Sie hasteten auf die klapprigen Barockstühle zu, als befürchteten sie, keinen Platz mehr zu bekommen.
    Nanouk und Lupus ließen sich dagegen im Fluss der Menschen treiben und wählten zwei Stühle in der Mitte aus. Untertauchen in der Masse, so nannte Claw das Prinzip. Das Rudel lebte nach dieser Regel. Sie war der Grund, weshalb die Werwölfe in der Stadt verteilt wohnten, mitten unten den Menschen, denn das war weitaus unauffälliger als abseits in einer Art Werwolf-Kommune zu leben.
    Nanouk schaute sich nach einem Hinterhalt um.
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