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Alma Mater

Alma Mater

Titel: Alma Mater
Autoren: Rita Mae Brown
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weinen.«
     
»Herzchen, du tust mir ja so Leid. Ich weiß, du liebst Charly und er liebt dich. Du brauchst nicht auf ihn zu verzichten und, also, ich versteh das alles nicht.«
     
»Sie wird einen anderen reichen Mann finden. Mit ihrer Schönheit könnte Vic einen verflixten arabischen Scheich heiraten und die Hälfte vom Öl der Welt besitzen.«
     
»Tante Bunny, ich heirate nicht.«
     
»Das sagst du jetzt. Das gibt sich wieder.«
     
»Mom, möchtest du noch einen Drink?« Vic reichte ihr das Glas.
     
»Kommt drauf an.« R. J.s grüne Augen suchten den Blick ihrer Tochter.
     
»Ich hab Charly gern, aber ich liebe Chris. Ihr seht also, was wir vorhaben, ist das Richtige.«
     
Mignon stand reglos.
     
»Wovon redest du?«, fragte Bunny brummig.
     
»Ich bin lesbisch.«
     
»Dann will ich meinen Transporter zurück!«
     
R. J. stellte das Glas auf den Couchtisch, sammelte sich, bis sie sich wieder gefaßt hatte. »Das muß sehr schmerzlich für dich sein, für euch beide.« Sie sah Chris an.
     
»Himmel, R. J. schlag sie ins Gesicht.« Bunny stand auf, aber R. J. zog sie wieder herunter. »Vic, du brauchst Urlaub von dir. Dann kommst du zur Vernunft«, fuhr Bunny fort.
     
»Bin ich schon. Ich bin froh, daß ich es gemerkt habe, bevor ich… Ach, das spielt jetzt keine Rolle. Wir drei haben unseren Beschluß gefaßt, und er ist gut.«
     
»Ich sehe nicht, wie es ein guter Beschluß sein kann, uns zu erzählen, daß du lesbisch bist.«
     
»Das hat nichts mit dem Beschluß zu tun, Tante Bunny.« Mignon trat für Vic ein.
     
»Halt du den Mund«, knurrte Bunny sie an.
     
»Nein, Vic ist Vic. Sie hat nicht beschlossen, lesbisch zu sein.«
     
»Das geht vorbei.« Bunny verschränkte die Arme.
     
»Es geht nicht vorbei. Ich liebe Chris und sie liebt mich.« Vic versagte es sich zu weinen, trotz des Klumpens in ihrer Kehle.
     
»So ist es«, sagte Chris.
     
»Hast du immer so empfunden, Liebes?«, fragte R. J. ihre Tochter.
     
»Ich habe getan, was von mir erwartet wurde. Hab mich angepaßt. Ich habe keine Fragen gestellt. Ich bin ja nicht mit dem Wissen aufgewachsen, daß es einen anderen Weg gibt oder daß ich diesen anderen Weg gehen würde.«
     
»Hm…« R. J. überlegte eine Weile. »Ihr drei habt zuerst an das Kind gedacht, und das spricht für euch. Ich kann mir vorstellen, daß das alles ungeheuer schwierig ist.« Sie sah Chris an. »Ich bin froh, daß du das Baby behalten willst.« Dann sah sie Vic wieder an. »Ich glaube, ich werde eine Weile brauchen, um mich daran zu gewöhnen. Bist du deswegen vom College geflogen?«
     
»Nein, das war wirklich wegen der heiligen Jungfrau Maria.«
     
»Vic hat die Schuld für Charly und mich auf sich genommen.« Chris griff nach einem Papiertaschentuch.
     
»Verstehe.«
     
Das Schweigen, das folgte, wurde schließlich von Bunnys Geheul unterbrochen: »Und wo bleib ich?«

Epilog
Der Mensch weiß von jeher, daß die Zeit fliegt. Die Römer sagten bekanntlich tempus fugit. Ja, das ist eine jener Erkenntnisse, die jeden erschrecken, wenn er gewahr wird, daß es sein eigenes Leben betrifft.
     
Das Bild von der Zeit als weißbärtiger, von den Jahren gebeugter Mann ist nicht ganz korrekt. Die Zeit ist ein Kobold, ein kleiner Teufel, der die Sanduhr mit dem Fuß umstößt. Bis man sie aufgerichtet hat, ist die Hälfte des Sandes ausgelaufen, und man kann ihn nicht wiederfinden, weil die Körner sich in alle Winde verstreut haben.
     
So war es auch in Surry Crossing. Der Schock über Vics Eröffnung, Chris’ Schwangerschaft und Bunnys Entdeckung wich den alltäglichen Belangen. Die stärksten Stürme suchten Bunny heim. Sie beantragte die Scheidung und bekam sie durch. Eine Zeit lang behauptete sie, Vic in den neuen Betrieb aufzunehmen hieße schlicht, ihr Lesbischsein zu billigen.
     
Diese Behauptung ließ sie schleunigst fallen, als Chris von einem hübschen blonden Jungen entbunden wurde, den sie Vic zu Ehren Victor nannte.
     
So sehr Bunny über die gesellschaftliche Schande des Lesbischseins wütete, Victor konnte sie nicht widerstehen. So wenig wie alle anderen, ganz besonders Piper.
     
Chris’ Familie ließ sie fallen. Ihre Brüder meldeten sich ab und an, aber von Mutter oder Vater hörte sie nichts mehr, und sie versuchte auch nie mit ihnen in Kontakt zu treten. Chris war der oft geäußerten Ansicht, daß die Familie aus Menschen besteht, die einen um seiner selbst willen lieben.
     
Weil R. J. sah, daß Vic glücklich war, akzeptierte sie
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