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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María
Autoren: Martin Suter
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cin!«
    Allmen erwiderte die Geste, und beide nahmen einen Schluck. Frau Talfeld behielt ihr Glas in der Hand, lehnte sich wieder zurück und richtete sich darauf ein, nun den wahren Grund für das Rendezvous zu erfahren.
    [36]  Allmen nahm einen neuen Anlauf: »Es handelt sich um Frau Moreno.«
    Ihr Lächeln erlosch. »Aha.«
    »Sie erinnern sich an Frau Moreno.«
    »Nein.«
    »Eine unserer qualifiziertesten Mitarbeiterinnen. Sie war auch für Madame Gutbauers Mandat kurz im Einsatz. Undercover.«
    »Ach so. Das Zimmermädchen. Was ist mit ihr?«
    »Sie wurde entführt.«
    »Aha.« Cheryl Talfelds Feststellung klang, als ob sie jeden Tag über Entführungen unterrichtet würde.
    Allmen wartete auf eine Frage oder ein anderes Zeichen der Anteilnahme. Aber sie blieb stumm, nahm nur einen großen Schluck und wartete.
    »Die Entführung steht im Zusammenhang mit dem Dahlienbild«, erklärte er.
    Frau Talfeld trank ihr Glas leer und stellte es ab.
    »Ich vermute, der Mann, für den Claude Tenz das Bild gestohlen hat, steckt dahinter.«
    Bei der Erwähnung dieses Namens kam wieder etwas Leben in sie: »Aus welchem Grund? Claude hat ihm das Bild doch wieder abgekauft.«
    »Ich fürchte, abgekauft trifft es nicht ganz.«
    »Verstehe.« Cheryl Talfeld hob ihr Glas in Richtung Kellner. Jetzt erst bemerkte Allmen, dass es [37]  leer war. »Verzeihen Sie«, murmelte er und winkte den Kellner herbei.
    »Sie wissen ja, wer der Mann ist. Weshalb schalten Sie nicht einfach die Polizei ein?«
    »Aus dem üblichen Grund. Angst um das Leben des Entführungsopfers.«
    Der Kellner erkundigte sich nach ihren Wünschen, und Allmen bestellte.
    »Drei Millionen hat Madame Gutbauer die Wiederbeschaffung ihres Bildes gekostet. Plus Ihr Honorar, Herr von Allmen. Aus welchem Grund sollte sie das Bild umsonst wieder hergeben?«
    Allmen überlegte. »Mitleid? Barmherzigkeit? Nächstenliebe?« Er merkte selbst, wie schlecht diese Beweggründe zu Dalia Gutbauer passten.
    Cheryl Talfeld grinste spöttisch. »Eben«, sagte sie nur. Sie schwiegen beide, bis der Kellner die zweite Runde gebracht hatte.
    Es war Allmen, der den Faden wiederaufnahm. »Ich muss mit ihr sprechen. Und Sie sind die Einzige, die das arrangieren kann.«
    »Sie wird Sie nicht einmal empfangen.«
    »Dann melden Sie jemanden an, den sie empfängt.«
    »Und dann tauchen als Überraschungsgast Sie auf?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich riskiere doch nicht meinen Job.«
    [38]  »Das tun Sie nicht. Sie wird verstehen, dass es sich um eine Notsituation handelt, sobald ich ihr die Situation erklärt habe.«
    Sie nahm einen ihrer undamenhaft großen Schlucke. »Für Madame Gutbauer ist es keine Notsituation. Die Mitarbeiterin einer Detektei befindet sich in Gefahr. So what? Das gehört zum Berufsrisiko.«
    Sie leerte ihr Glas auf abschließende Weise. Allmen hatte sein zweites noch nicht einmal angerührt.
    »Können Sie mir ein Taxi bestellen lassen, bitte?«
    »Ich fahre Sie, und Sie melden mich bei Madame Gutbauer an. Es ist noch früh.«
    »Sie empfängt niemanden, außer Doktor Kersthuber, ihren Hausarzt.«
    »Was hat sie?«
    »Bald dreiundneunzig Jahre auf dem Buckel.«
    »Werden Sie mit ihr sprechen?«
    Cheryl Talfeld zuckte mit den Schultern. »Aber erwarten Sie nichts.«
    Herr Arnold hatte vor der Goldenbar geparkt und fuhr sie jetzt schweigend die kurze Strecke zum Schlosshotel. Allmen begleitete Cheryl Talfeld die paar Stufen hinauf bis zur Glastür.
    Sie verabschiedete sich ohne Wangenkuss.
    [39]  7
    Auch an den Schluss des Gebetes zu Maximón erinnerte er sich noch. »Te traigo tu puro, tu guarito y tus candelitas para compartirlas.« Ich bringe Dir Deine Zigarre, Deinen Schnaps und Deine Kerzen, um es mit Dir zu teilen.
    Carlos steckte ihm eine letzte Zigarette an, verspritzte noch etwas mehr von Don Johns unersetzlichem Armagnac, bekreuzigte sich und begann, die Kerzen mit benetztem Daumen und Zeigefinger zu löschen.
    Rasch füllte sich der kleine Raum mit dem anheimelnden Duft frischgelöschter Kerzen. Carlos fühlte sich ein bisschen weniger verzweifelt. Das vertraute Ritual hatte Marías Entführung unwirklich erscheinen lassen. Und einen schlimmen Ausgang unwahrscheinlich.
    Das Telefon schreckte ihn aus seinen Gedanken. Er meldete sich mit »Allmen International Inquiries«.
    Niemand meldete sich, aber er hörte, dass jemand am anderen Ende war. Sein Herz setzte aus und fing an, wie wild zu schlagen. Noch einmal sagte er: »Allmen International
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