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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition)
Autoren: Chinua Achebe
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Gerichtsdienern des District Commissioner ausgepeitscht wird. Der Leser wird dazu gebracht, den hilflosen Zorn und schließlich die Gewalttaten zu verstehen, mit denen Okonkwo auf die enorme und vielleicht verwirrende, politische und wirtschaftliche Macht reagiert, die mit dem Christentum und dem Kolonialismus gekommen ist. Am Ende bleibt uns eine unvergesslich tragische Figur: ein Mann, der große Fehler hat, dem aber auch großes Unrecht angetan wurde.
    Ezeulu, die zentrale Figur in Arrow of God , welcher mein Lieblingsroman bleibt, hat wie Okonkwo seine Fehler, und es widerfährt ihm ebenfalls Unrecht, auch er kommt nicht los von seiner Vorstellung davon, was seine Gemeinschaft von ihm erwartet. Anders als Okonkwo, eine Figur, die Achebe deutlich unter Kontrolle hatte, ist Ezeulu außerordentlich sperrig, und dieser großen Komplexität verdankt Arrow of God viel von seiner bleibenden Kraft. Ich vermute, dass Chinua Achebe – wie es in der besten Literatur passiert – keine vollständige Kontrolle über seinen Charakter hatte; letztlich diktierte der Geist Ezeulus, wie seine Geschichte erzählt werden sollte. Arrow of God wird sowohl aus dem Blickwinkel von Ezeulu als auch aus dem des District Commissioner Winterbottom erzählt; bei Romanbeginn ist das zentrale Ereignis schon geschehen, wie bei einem griechischen Drama, und Achebe erforscht, was daraus folgt. Ezeulu hat in einem Gerichtsstreit mit der benachbarten Stadt, in dem es um Landbesitz geht, gegen sein Volk ausgesagt, weil er entschlossen ist, die Wahrheit zu sagen, und seine Tat hat ihm sowohl den Respekt des District Commissioner als auch den Zorn seiner Gegner vor Ort eingebracht. Das wird auch als Katalysator wirken und – zusammen mit Ezeulus Sturheit, seinem Idealismus und seinem Stolz – zu seinem tragischen Ende beitragen.
    Wie Alles zerfällt zeigt auch Arrow of God die zornige Hilflosigkeit von Menschen angesichts der in feste Formen gegossenen europäischen Macht: Mächtige Männer werden von Handlangern der Regierung verächtlich behandelt, bedeutende Männer werden ausgepeitscht, das bisherige Gerichtswesen wird ersetzt durch eines, das die Menschen nicht verstehen und das sie nicht mitbestimmen können, und die inneren Triebkräfte der Gesellschaft werden ausgewechselt.
    In No Longer at Ease wird diese Hilflosigkeit durch etwas Unfertiges, doch weniger Erstickendes ersetzt, weil sich die Bedingungen während des kurzlebigen Optimismus der Unabhängigkeit geändert haben. Obi, der mit den Belastungen der neuen nigerianischen Gesellschaft kämpft, erfasst diesen Wandel, als er an seinen Chef, den Engländer Mr Green, denkt. Er ist sich sicher, dass dieser »Afrika liebt, doch nur ein gewisses Afrika: das Afrika von Charles, dem Botenjungen, das Afrika seines Gartenboys und Hausboys. 1900 hätte Mr Green zu den größten Missionaren zählen können, 1935 hätte er sich damit begnügt, Schulleiter im Beisein ihrer Schüler zu ohrfeigen, doch 1957 konnte er nur fluchen und schimpfen.«
    Achebe schreibt in der Tradition des Realismus und es gibt viele autobiographische Spuren in seinem Werk. Er wurde 1930 in der Igbo-Stadt Ogidi, im Südosten Nigerias, geboren. Seine Eltern waren überzeugte Christen, doch viele seiner Verwandten waren der Igbo-Religion treu geblieben, und er erlebte so als Heranwachsender beide Seiten seines Erbes und, was noch wichtiger war, hörte Geschichten von beiden. Einflüsse seines Großonkels, eines reichen und wichtigen Mannes, der den ersten Missionaren Unterkunft auf seinem Hof gewährt hatte, sie aber später wieder zum Gehen aufgefordert hatte, weil er ihre Musik zu traurig fand, sind in Alles zerfällt offenkundig. Er arbeitete in den 1950er Jahren als Rundfunkredakteur in Lagos und die Details seines Lebens – Filmvorführungen und Clubs und Bars, das Beobachten von ehemaligen Ausländerclubs, die jetzt einige wenige Nigerianer zuließen – verleihen No Longer at Ease seine Authentizität. Durch ein Rundfunkprogramm erfuhr Achebe von der Geschichte eines Igbo-Priesters in einer nahe gelegenen Stadt, der wegen etlicher Vorfälle mit der britischen Verwaltung das heilige Fest der Neuen Yamswurzeln verschoben hatte, was noch nie zuvor geschehen war. Er beschloss, diese Stadt zu besuchen, und die Geschichte regte zu Arrow of God an.
    Im gesamten Werk von Achebe geht es in der einen oder anderen Weise um starke kommunitaristische Werte, um den Gebrauch der Sprache als kollektive Kunst, um die zentrale
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