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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition)
Autoren: Chinua Achebe
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Wir haben über seine Dummheit gelacht und ihm gestattet, zu bleiben. Jetzt hat er unsere Brüder für sich gewonnen, und der Klan kann nicht mehr geschlossen handeln. Er hat ein Messer auf die Dinge gelegt, die uns zusammenhielten, und wir sind zerfallen«, ist dem Leser klar, dass es in Achebes Erzählung genauso um das Messer geht wie um die Schwachstellen, die inneren Spannungen, die Risse, die schon existierten.
    Achebe schreibt schlichte, elegante Sätze in Englisch, doch es ist ein nigerianisches Englisch und oft ein Igbo-Englisch, um genauer zu sein. Alle drei Romane sind voll von direkten Übersetzungen aus dem Igbo, darunter auch Zeilen, über die man laut lachen kann, besonders als Igbo sprechender Leser, wie zum Beispiel »der weiße Mann, dessen Vater oder Mutter keiner kennt«. Die Wiedergabe von Sprichwörtern, von wörtlicher Rede, von Sprechweisen ist es, was Achebes Romane zu einem Sprachfest werden lässt. In Arrow of God erfasst Ezeulu beispielsweise seine eigene vorsichtige Fortschrittlichkeit bildhaft, als er zu seinem Sohn, den er in die Missionsschule zu schicken entschieden hat, sagt: »Der Vogel Eneke wurde von seinen Freunden gefragt, weshalb er stets im vollen Fluge unterwegs sei, und seine Antwort lautete: ›Die Menschen haben gelernt, zu schießen, ohne ihr Ziel zu verfehlen; ich habe gelernt, zu fliegen, ohne mich je niederzulassen.‹… die Welt ist wie ein Maskentanz. Wenn man sie gut sehen will, darf man nicht an einer Stelle stehenbleiben.«
    Achebe nimmt seine Figuren ernst, aber nicht zu ernst; er erfindet subversive Möglichkeiten, sie in Frage zu stellen und sogar über sie zu lachen, und er weigert sich, sie von ihren Schwächen zu erlösen. Okonkwo, vielleicht die bekannteste Figur der modernen afrikanischen Literatur in englischer Sprache, ist der Inbegriff eines starken Mannes und wird von einer tiefsitzenden Furcht, die ihn blind macht, beherrscht. Seine Unsicherheit führt zu gnadenloser Härte und einer extremistischen Auffassung von Männlichkeit – er hat so große Angst davor, für schwach gehalten zu werden, dass er einen Menschen, den er liebt, tötet, und doch fühlt der Leser mit ihm in seiner Reue, mag sie auch noch so unterdrückt sein.
    Es ist unmöglich, besonders für den heutigen Leser, von der Geschlechterdarstellung in Alles zerfällt nicht beeindruckt zu sein, und davon, dass Schwachheit und Unfähigkeit mit Weiblichkeit gleichgesetzt werden. Interessanter und vielleicht aufschlussreicher ist jedoch die dezente Art, in der Achebe dieses Patriarchat hinterfragt: Okonkwo verunglimpft Frauen, und doch ist seine Tochter Ezinma das Kind, das er am meisten respektiert. Sie ist die einzige Person, die ihm zu widersprechen wagt und die selbstbewusst und offen ist, was von seinen Söhnen nicht in gleichem Maße gesagt werden kann. Meine Lieblingsstelle in dem Roman, die nur wenig Raum einnimmt, ist die Liebesgeschichte des alten Paars Ozoemena und Ndulue. Als Ndulue stirbt, geht Ozoemena in die Hütte ihres Mannes, um seinen Leichnam zu sehen, und kehrt dann in ihre Hütte zurück, wo man sie später tot auffindet. Okonkwos Freund Obierika erinnert sich: »Es hat schon immer geheißen, Ndulue und Ozoemena seien eines Sinnes. Ich weiß noch, dass es in meiner Jugend ein Lied über sie gab. Er unternahm nichts, was er nicht zuvor mit ihr besprochen hatte.« Diese Erinnerung beunruhigt Okonkwo, weil sie in seinen Augen Ndulues authentische Männlichkeit in Zweifel zieht. Er sagt: »Ich dachte, er sei in seiner Jugend ein starker Mann gewesen.« Die anderen bestätigen, dass Ndulue ein starker Mann gewesen sei und den Stamm damals in kriegerische Auseinandersetzungen geführt habe. Sie sehen keinen Widerspruch zwischen der Größe des alten Mannes, was seine Männlichkeit betrifft, und seinem innigen Verhältnis zu seiner Frau, wie Okonkwo das offensichtlich tut.
    Diese Starrheit Okonkwos, zusätzlich zu seinem unnachgiebigen Charakter, seiner Unbesonnenheit, seinen Exzessen, macht den Leser unwillig. Doch wenn man seine Handlungen im Kontext der vielen kleinen, mit der Kolonialisierung verbundenen Demütigungen sieht, kann man sie ein wenig verstehen. Die Machtstrukturen seiner Gesellschaft sind so leicht umgestoßen worden. Okonkwo ringt nun verzweifelt darum, eine Welt zu verstehen, aus der die Würde, die für ihn immer selbstverständlich gewesen war, verschwunden ist, in der die Ältesten verächtlich behandelt werden und er, der stolze Krieger, von
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