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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally
Autoren: Arno Geiger
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hat leider vergessen, was sie mir zur Antwort gegeben hat, sie hat das Trotzdem vergessen, das ist das einzige, was ich ihr vorwerfe, dass sie das Trotzdem vergessen hat, alles andere fällt unter normal , weil jeder Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens, die Gefühle ändern sich im Laufe eines Lebens, mal so, mal so, was früher gut war, das heißtnoch lange nicht, dass es heute immer noch gut sein muss, die Bedürfnisse sind plötzlich andere, auf jeden Fall bei Sally, bei mir weniger, Beziehungen gehen in die Brüche, andere werden aufgebaut, jedenfalls bei Sally, bei mir weniger, aber ich verlange gar nicht, dass sie mich jeden einzelnen Tag bis über beide Ohren liebt, nur ein bisschen, ein wenig, ein wenig sollte schon sein, das ist mich zwischendurch teuer zu stehen gekommen, ich habe mich aber immer wieder entschädigen können, ich habe gewartet und habe mich schadlos gehalten und wieder Geschmack am Leben gefunden, für zwei Wochen oder zwei Monate oder für ein halbes Jahr, da ist viel Schatten, aber da ist auch viel Licht, und wenn ich mich beklagen würde, könnte mir Sally mit Recht den Vorwurf machen, du hast es jahrelang akzeptiert und jetzt plötzlich kommst du und sagst, Schluss, aus, ich akzeptiere es nicht mehr, das hätte ich mir weiß Gott früher einfallen lassen müssen, also verzichte ich darauf, obwohl ich zwischendurch Grund dazu hätte, ich versuche den Teil meines Gehirns, in dem diese Dinge abgelegt sind, in tiefen Schlaf fallen zu lassen, ich habe sowieso nicht genug in der Hand, um Sally unter Druck zu setzen, das Problem ist, ich würde sie wieder nehmen, ich würde alles wieder so machen und alles so akzeptieren, wie ich es gemacht und akzeptiert habe, meine Lektüre besteht ja momentan aus täglich einem Schundroman, den ich in einem Saus auslese und über den ich mich dann ärgere, Science-Fiction-Geschichten, die ich als junger Mann gemocht habe, sie handeln ausschließlich von Weltraumflügen und bestehen zu fünfzig Prozent aus unverständlichen technischen Ausdrücken und zu fünfzig Prozent aus Blödsinn,’s ist alles Chimäre, aber mich unterhält’s, die nächste Stufe wäre der Suff, das gebe ich zu, eins der wenigen anderen Bücher, die ich gelesen habe, keine Science-Fiction, aber so etwas Ähnliches, hat mir gefallen, Replay von einem Kerl namens Grimwood, den kennt keine Sau, das Buch handelt von einem Mann, der 1988 im Alter von dreiundvierzig Jahren stirbt, Herzinfarkt, bums! tot! aber unmittelbar darauf wacht er auf und liegt in seinem Bett am College, es ist Frühling 1963, er ist achtzehn Jahre alt und muss sein Leben wiederholen, er findet, wahrhaftig! er findet, das ist nicht sehr witzig, aber er hat keine Wahl, was bleibt ihm übrig, er will das Beste draus machen und sucht seinen Vorteil, wo er kann, weil er weiß, was als Nächstes kommen wird, er gewinnt Geld bei Pferdewetten, investiert es an der Börse, trifft einen alten Freund, dem Scheidung, Konkurs und Selbstmord bevorstehen, bis der Held dazwischenfährt, er versucht, die Ermordung von John F. Kennedy zu verhindern, dieses und jenes, dann stellt er sich ungeschickt an, als er das Mädchen trifft, das beim letzten Mal seine Frau war, er vertut seine Chancen, indem er allzu naseweis vorgeht, und mit dreiundvierzig stirbt er erneut, Herzinfarkt! bums! tot! und alles wieder von vorn, diesmal mit mehr Bedacht, wieder das Leben zwischen 1963 und 1988, einiges gelingt, und Dinge, die beim letzten Mal gutgegangen sind, gehen diesmal schief, immer mit anderen Wendungen, ziemlich faszinierend, wer hat sich nicht schon Gedanken gemacht, wie das scheinbar so lineare Leben ablaufen würde, wenn man eine zweite Chance bekäme, mein Gott! wenn ich nochmals am Gardasee sein könnte im Sommer 1969, dann würde ich das Zelt besserfesthalten, von dem ich seither nichts mehr gehört habe, verflucht, sind wir nass geworden! schlimmer als in den Kalkalpen, dort würde ich Sally auffordern, schwimmen zu gehen, und sie würde sich weigern im Glauben, ich führte etwas im Schilde, und das Leben wäre ein anderes, wer kann das wollen? also bleibe ich lieber bei dem, was ich habe, wie ich’s habe, mit allem Drum und Dran, das Leben ist ja auch deshalb so besonders, weil es keine Löschtaste gibt, eine Löschtaste würde es sehr langweilig machen, ein Idiotenspiel, ich lese sehr selten in meinen Tagebüchern, es sei denn, es gibt einen bestimmten Anlass, den ich überprüfen will, nachdem ich eine bestimmte Reise
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