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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally
Autoren: Arno Geiger
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mit dir! raus an die frische Luft! ich will dich hier nicht haben! mit einer Handvoll Sägemehl bin ich in den Garten und habe mir die Hände eingerieben, noch Stunden später haben sie nach frisch gesägtem Holz gerochen, und leider ist die Tischlerei den Bach hinuntergegangen, und dass die Schwestern von Papa den Mann der Spiritistin als Geschäftsführer einsetzen wollten, ist nur ein Witz am Rande, es hätte keinen Wandel gebracht und wäre nur eine weitere Variante gewesen, wie man in diesem tragikomischen Familienbetrieb dem Bankrott entgegenlächelt, selbst ein starker Mann , wenn man ihn angeschleppt hätte, ich bezweifle, dass er Chancen gehabt hätte, etwas zu bewirken, die Menschen sind seltsam, der Entschlussschwäche von Papa ist eine so eigenartige Entschlossenheit gegenübergestanden, mit der er seine Entschlussschwäche verteidigt hat, und dass er dann plötzlich zum Trinker geworden ist, sonderbar, ich habe ihn darauf angesprochen, Papa, du solltest weniger trinken, Alfred, hat er gesagt, es ist deshalb, weil ich einen Span verschluckt habe, der muss schwimmen, sonst zwickt er mich, kann sein, ich werde ihn bald wieder los, du kannst doch auch Wasser trinken, Papa, habe ich geantwortet, nein, Alfred, es ist ein Phänomen, im Wasser schwimmt er nicht, und Mama hat ihn jahrelang dafür gehasst, sie ist ihm jahrelang aus dem Weg gegangen, sie hat aus religiösen Gründen an allem gespart, sogar an der Unterwäsche, um den Bedürftigen geben zu können, aber für Papa hat sie kein gutes Wort mehr gehabt, und als Papa auf dem Sterbebett gelegen ist und sich von allen verabschieden wollte, hat ihn Mama geküsst, sie hat ihm kleine spitze Küsse gegeben über das ganze Gesicht,du hast es immer gemocht, Emil, wenn ich dich so geküsst habe, das hat sie zu ihm gesagt, und dann hat sie ihn auf den Mund geküsst, und der alte Mann, an dem nichts mehr dran war, nur Haut und Knochen, dessen Hals nur noch aus Sehnen bestanden hat, er hat sich ihrem Mund entgegengestreckt, und plötzlich ist es ein erotischer Kuss gewesen, den sich die beiden gegeben haben, ein richtig langer erotischer Kuss, und Sally und ich haben nur so geschaut, Sally hat einen Scherz gemacht, vielleicht sollten wir besser rausgehen, sie hat gelacht, und Mama hat sich umgedreht und gesagt, ja, ja, raus mit euch, das ist genau das, was jetzt angebracht ist, ich will euch hier für die nächste halbe Stunde nicht sehen, und ich habe gewusst, das ist Liebe, weil Mama hat Papa jahrelang gehasst, aber in Wahrheit hat sie ihn geliebt, und plötzlich ist eine alte Tür wieder aufgegangen, Gott schließt niemals eine Tür, ohne eine andere zu öffnen, das war eine der ländlichen Weisheiten, nach denen Mama ihr Leben zu führen versucht hat, stattdessen ist eine alte Tür immer noch offengestanden, ohne dass sie es gewusst hatte, da sieht man es wieder, wie unbrauchbar ihre Grundsätze waren, ich kann die Ansicht von der Gutwilligkeit Gottes ja sowieso nicht teilen, Mama hat nie einen Zweifel daran gehabt, sie ist großzügig zu anderen gewesen, immer spenden, Gott wird senden, hat sie gesagt, das hat ein ziemlich großes Vertrauen in das Gegenüber vorausgesetzt, aber meine Meinung ist, sie hat’s getan, Er nicht, besser als umgekehrt, als ich im Herbst 1986 durch glückliche Umstände sechs Wochen frei hatte, bin ich zurück nach Kairo, zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon manches angehäuft, eine Frau, zwei Kinder und eine Hypothek,ich habe gedacht, ich brauche das Geld, aber ich habe es bereut, Alice war vier, Emma ein Baby, einige Wochen alt, ich hätte Tag und Nacht mit den Kindern verbringen können, ich habe für lumpiges Geld darauf verzichtet, seither denke ich, ich bin um nichts besser als der Weiße Mann, den die nordamerikanischen Flachland-Indianer verachtet haben, weil er geglaubt hat, Land sei etwas, das man für einige Münzen handeln kann, die Indianer haben gesagt, ein Mann, der die Knochen seiner Väter verkauft, ist nicht besser als ein wildes Tier, das empfinde ich heute sehr stark, wo die Kinder selbständig werden und frei, auch Emma rüstet zum Auszug, wie dumm, dass ich unschätzbare Zeit, die ich mit ihnen hätte verbringen können, verkauft habe, die Knochen meiner Kinder, nur weil ich ein zusätzliches Einkommen heranschaffen wollte für das Auto, für Möbel, einen Rasenmäher, Spiele für die Kinder und was nicht noch alles, und wofür? wofür? raus mit der Sprache, Alfredo! was fehlt dir am meisten von den Dingen, die
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