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Alles über Sally

Alles über Sally

Titel: Alles über Sally
Autoren: Arno Geiger
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hochgekommen? welche mögliche Bedeutung für irgendetwas Aktuelles könnte diese unbedeutende Erinnerung haben, auf die mich Valerie gebracht hat? die traurige Antwort ist, keine, lediglich dass Valerie mir erzählt hat, dass Sascha tot ist, gestorben an einem Gehirntumor im Alter von fünfundzwanzig Jahren, er hat nicht einmal das Ende der siebziger Jahre erlebt, wie schmerzhaft das die bruchstückhafte Erinnerung macht, wo ich so viele Jahre an seine Schwangerschaft gedacht habe, ohne zu wissen, dass er schon unter der Erde ist, nicht dass ich erwartet hätte, ihn je wiederzusehen, die Welt ist zu mobil geworden, als dass das wahrscheinlich gewesen wäre, aber ich habe mir noch immer im Sinne von Jacques Brel denken können, Benjamin Deutsch lebt, ist wohlauf und wohnt in Paris , wie traurig, vielmehr, wie schrecklich, der Gedanke, dass auch er, dieser verrückte, kindische Kerl, einfach hat sterben können, ich werde Sally von ihm erzählen, wenn sie nach Hause kommt, sie ist zur Änderungsschneiderei, bei mirgibt es leider nicht viel zu ändern, in den Tagen nachdem ich Valerie getroffen hatte, war Sally nicht ansprechbar, dabei müsste Saschas Schwangerschaft sie interessieren, Buben? ich mag sie, aber ich verstehe sie nicht, das hat sie gesagt, ich selber verstehe sie nämlich schon, ich weiß noch, wie mich Sally in Kairo zum Friseur begleitet hat in der Hoffnung, dass bei Männern, wenn sie beim Friseur sitzen, der Bub hervorkommt, der Sechs- oder Siebenjährige, sie hat es mir erst hinterher gesagt, damit ich nicht vorgewarnt bin, Alfred, hat sie hinterher gesagt, ich möchte wissen, wer du bist, ich will sehen, wie es ist, wenn der Bub hervorkommt, ich habe gefragt, und? ist er hervorgekommen? ja, hat sie geantwortet, ich habe ihn gesehen, nur kurz, aber immerhin, es hat sich gelohnt, ganz am Anfang beim Hinsetzen, als dir der alte Mann das Tuch über die Schultern gelegt hat, da habe ich ihn gesehen, und ich kann dir mitteilen, es ist ein netter Bub, der sich freut und sich selber mag und auch seine Eltern mag, er ist gut erzogen, ich glaube, er ist der Freund, den ich nicht hatte, als ich fünf war, das hat Sally gesagt, ich gebe nur ihre Worte wieder, und seither, sagt sie, habe sie den Buben oft gesehen, und wenn ich meinen Töchtern sagen würde, dieser Bub, den Sally manchmal sieht und der ich war, dass ich ihm stärker verpflichtet bin als dem Vater, der ich als Erwachsener geworden bin, dann wären meine Töchter beleidigt, ich muss das wieder einmal nachlesen, wenn ich es in den Tagebüchern finde, wo ich schreibe, sinngemäß, dass der Bub, der in der Werkstatt im Sägemehl spielt, stärker ist als der Erwachsene und sein Wunsch nach Freiheit, und dass auch das Museum ein abgeschiedener Ort ist, muffig, ohne vielTageslicht, mit dunklen Gängen und schattigen Büros, dort zu sitzen und nachzudenken oder mit Kollegen zu reden, und sowie wir aus dem Gebäude treten, hören die Gespräche auf, der Käfer in seinem Loch ist ein Sultan, sagen die Ägypter, aber wenn das Sonnenlicht kommt, ist dieses Gefühl weg, im Urlaub brauche ich eine halbe Woche, bis ich an einem Wegrand sitzen, zwischen Blumen und Gräsern, ein Acker, und frei reden kann, am letzten Wochenende vor Schulanfang sind Sally und ich im Weinviertel spazieren gegangen, bei Haugsdorf ist Sally in einen verwilderten Apfelbaum geklettert und hat Äpfel heruntergeworfen, es war ein so unglaublich gutes Gefühl, unter dem Baum zu stehen und Äpfel zu fangen, wenn ein Apfel in die Hand fällt und die Finger sich um ihn schließen, ein kalter Apfel, hinterher haben wir geredet, es war eines der besten Gespräche in diesem Jahr, wir sind über eine kleine Wiese gegangen, die wenige Tage zuvor abgemäht worden war, bei jedem Schritt sind unter unseren Füßen Heuschrecken in alle Richtungen gesprungen, es hat ausgesehen wie nicht von dieser Welt, als würde etwas unter dem Schritt platzen und seinen Inhalt gleichmäßig nach allen Seiten werfen, und ich habe gesagt, Sally, es stimmt, ich bin ein Mühlviertler Bauer, schade, dass ich nicht geschickter bin, ich wäre ein guter Handwerker geworden, im Kopf, im Herzen, und ich habe an zu Hause denken müssen, an das weinumrankte Haus, über dem die Bussarde kreisten, ich habe meinem Vater so gerne bei der Arbeit zugeschaut, er hat alles sehr langsam gemacht und mit Freude, ich habe mit dem warmen Sägemehl gespielt, der Geruch, nur Sally riecht besser, meistens hat mich mein Vater hinausgejagt,raus
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