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Alles über Elfen (German Edition)

Alles über Elfen (German Edition)

Titel: Alles über Elfen (German Edition)
Autoren: Jonas Wolf
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wahrlich genug, vor dem sie sich fürchteten: die für sie völlig unabsehbaren Gefahren der sich immer schneller entwickelnden modernen Technologien, der beginnende Raubbau an der Natur in einem bislang noch nie dagewesenen Ausmaß und der stetig wachsende Zweifel an der Kirche als verlässliche oberste Moralinstanz. Wer möchte da etwas von unheimlichen, zaubermächtigen Wesen lesen, die unter Umständen grausame Rache üben, wenn man versehentlich gegen eine ihrer Regeln verstößt? Nein, da stürzt man sich doch viel lieber beherzt auf die putzigen kleinen Geschöpfe, die im hauseigenen Garten bei Sonnenaufgang Morgentau von den Blättern schlürfen.
    Dieser Eskapismus – diese zeitweise Flucht aus der alltäglichen Welt in ein verwunschenes Feenreich – war am deutlichsten im viktorianischen England zu beobachten. [Plischke: Woran übrigens die Übersetzung von Grimms Märchen ins Englische gehörigen Anteil hatte. Und wir wollen auch nicht vergessen, dass ein Märchen im Englischen fairy tale (Feengeschichte) heißt.] Hier trugen Elfen für gewöhnlich die folgenden Eigenschaften:
Sie sind derart winzig, dass man sie leicht übersehen kann.
Sie wohnen in Blüten, ausgehöhlten Baumstümpfen oder Pilzhäusern.
Sie zähmen allerhand Kleintiere wie Hasen, Frösche, Igel und so weiter, um sich dann von diesen in Kutschen aus Nussschalen ziehen zu lassen oder sie für vergleichbar würdevolle Zwecke einzusetzen.
Sie haben ein Faible für spitze Zipfelmützen, die ganz ausgezeichnet zu ihren spitzen Ohren passen.
Sie besitzen ein ausgemachtes Faible für luftige, fließende Gewänder.
Viele von ihnen haben Schmetterlings- oder Libellenflügel.
Von ihren Gesichtszügen her erinnern sie oft an Kinder, und genau wie Kinder treiben sie gerne harmlosen Schabernack.
    Fassen wir es doch kurz: In der viktorianischen Gesellschaft wurde das ehedem von Shakespeare gezeichnete Elfenbild noch einmal mit extradickem Pinsel nachgezeichnet. Schlimmer noch: Die Elfen und Feen wurden noch einmal weiter verharmlost.
    Da tröstet es kaum, dass die Engländer bis weit ins 20.Jahrhundert hinein von Feen und Elfen regelrecht besessen waren. Das wahre Ausmaß dieser Manie erscheint sogar regelrecht bizarr. Dass große Erzähler von Charles Dickens und Oscar Wilde bis Lewis Carroll und Rudyard Kipling ihre eigenen Geschichten zum ohnehin reichhaltigen Fundus an elfologisch relevanten Texten hinzufügten – geschenkt. Dass bildende Künstler wie Richard Dadd, John Anster Fitzgerald oder Arthur Rackham Hunderte von Elfen in ihren Werken einfingen – erwartbar. Doch dass zahllose Kinder in Elfenverkleidungen gesteckt wurden, um sie vor idyllischer Kulisse fotografisch abzulichten, mutet aus unserer Perspektive seltsam an. Ebenso wie die Tatsache, dass immer wieder behauptet wurde, es wäre gelungen, Schnappschüsse von echten Feen und Elfen zu machen, die sich dann hinterher jedoch als dreiste Fälschungen herausstellten, bei denen die eben erwähnten Kinder als Ersatzstars herhalten mussten. [Christiansen: Es mag uns drollig vorkommen, dass irgendjemand angesichts solcher Aufnahmen auch nur länger als fünf Sekunden ernsthaft in Betracht zog, er könne einen hieb- und stichfesten Beweis für die Existenz von Elfen in Händen halten. Dabei sollte man jedoch nicht vergessen, dass selbst schlaue Köpfe wie Arthur Conan Doyle, der geistige Vater von Sherlock Holmes, sich durch diese Aufnahmen ab und an täuschen ließen] Sie möchten noch ein Beispiel für diese absonderlichen Auswüchse des Elfenhypes? Bitte sehr: In der Viktorianik wurden eigens Stücke für die Harfe geschrieben, die die ätherisch-entrückende Musik der Feen und ihrer Verwandten dem menschlichen Ohr nahebringen sollten.
    Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass auch düsterere Elemente des Themas immer wieder neu verarbeitet wurden: Auf manchem Bild – wie etwa auf vielen Werken Fitzgeralds – entdeckt man unverblümte Hinweise auf durch Drogenkonsum verursachte, traumhafte Rauschzustände, die der Künstler auf die Leinwand gezaubert hat, oder Abbildungen von garstigeren Feengeschöpfen aus der britischen Folklore (unter anderem diverse Varianten von Goblins). Auch die Darstellung einiger Elfenreigen ist von einer unterschwellig bedrohlichen Atmosphäre, als würde der Betrachter dazu aufgefordert, es sich lieber zweimal zu überlegen, ob er in dieser Gesellschaft wirklich das Tanzbein schwingen möchte.
    Also ja: Hier und dort taucht eine bösartige Elfe auch
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