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Alles über Elfen (German Edition)

Alles über Elfen (German Edition)

Titel: Alles über Elfen (German Edition)
Autoren: Jonas Wolf
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in der Viktorianik auf, doch vor den allermeisten braucht man sich als Mensch nicht einmal ansatzweise zu fürchten. Diese bösen Feenwesen sind nämlich in aller Regel von ähnlich winziger Statur wie ihre »gute« Verwandtschaft. Das bedeutet, man kann sich ihrer im Notfall mit den gleichen Mitteln erwehren, mit denen man sich vor aufdringlichen Insekten schützen würde – zum Beispiel mit einer Fliegenklatsche oder einem Schmetterlingsnetz. Existenzielle Gefährdungen für Leib und Leben sehen jedenfalls anders aus, und Ehrfurcht gebietende Wesen, denen man ab und zu mal einen Bullen opfern müsste, um sie zu besänftigen, sind sie auch nicht. Die Elfen wurden in England von weiten Teilen der Gesellschaft nahezu vollständig in die Rolle von sympathischen, verspielten Naturgeistern gedrängt – harmlose Relikte einer fernen Vergangenheit, in der Mensch und Natur noch im Gleichgewicht miteinander waren, und Sinnbilder einer naiven, rückwärtsgewandten Utopie.
    In Frankreich erfuhren Feen und Elfen indes eine etwas weniger herabwürdigende Behandlung: In vielen der dort zu Zwecken des Amüsements bei Hofe erzählten Märchen belässt man den Feen wenigstens ihre faszinierende Fremdartigkeit. Mehr noch: Unter dem Einfluss der ersten Übersetzung der orientalischen Märchen aus Tausendundeine Nacht ins Französische werden Eigenschaften und Charakterzüge von Dschinnen und anderen Geisterarten des Nahen Ostens auf sie übertragen. Seitdem umweht die Fee – und in der Erweiterung auch den Elfen – bis heute oft die verlockende Exotik einer fremden, aber nichtsdestominder anziehenden Kultur. Es ist der Reiz einer unbekannten Welt voller wundersamer Anblicke und Genüsse, in der man sich als Mensch ganz verlieren kann, wenn man dem Gewohnten – und damit auch ein bisschen Langweiligen – entfliehen möchte.

Ein Elfologe, sie alle zu retten
    Doch rasch zurück nach England und zu einem Mann, der sich aufmachte, die verlorene Ehre und Würde des Elfenvolks zurückzuerstreiten: J.R.R. Tolkien.
    Man tut ihm kein Unrecht, wenn man ihn als Spätromantiker bezeichnet, und wie es sich für einen echten Romantiker gehört, setzte er sich äußerst intensiv mit Volksglaube, alten Märchen und Mythologie auseinander. Dabei fiel ihm unweigerlich auf, dass die Elfen der Viktorianik sich sehr weit von ihren frühesten Wurzeln entfernt hatten – man könnte fast von einem verniedlichten Zerrbild sprechen. In seinem Bestreben, auf Grundlage alter Vorbilder neue Sagen zu erdenken und diese dann England zu widmen, arbeitete er das vorhandene elfologische Material vieler Jahrhunderte auf. Am Ende – wenn auch mit einiger Verzögerung, da seine Schriften erst in den 1960ern weltweit größere Beachtung fanden – schuf er ein Bild des Elfen, in dem sich wie in einem Mosaik Bausteine aus unterschiedlichsten Phasen der Geschichte zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Dieses moderne Bild des Elfen, das sich nun bereits seit vielen Jahrzehnten als ausgesprochen stabil erwiesen hat, hat aber selbstverständlich ein eigenes Kapitel verdient. Und um die Spannung nicht zu lange hinauszuzögern, soll es auch gleich das nächste sein.

Bevor jemand fragt: Elfen am Nordpol
    Eine letzte Bemerkung sei erlaubt: Die Weihnachtselfen, die in der amerikanischen Populärkultur dem Weihnachtsmann in dessen Hauptquartier am Nordpol als fleißige Helfer bei der Herstellung von Geschenken zur Seite stehen, sind eine Erfindung des 19.Jahrhunderts. Wie leicht zu erkennen ist, sind sie Opfer und Produkte der Verniedlichungsmanie, unter der alle Elfen zu leiden hatten. Je weniger Worte wir über sie verlieren, desto weniger bringen wir die echten Elfen gegen uns auf …

Mit spitzem Ohr und Lederstrumpf – Das moderne Bild des Elfen
    Elfologen leben, wenn sie ehrlich zu sich selbst sind, in einem goldenen Zeitalter. Wo sie bis vor wenigen Jahren noch häufig mit unwissenden Blicken zu rechnen hatten, wenn sie ihren Forschungsgegenstand nannten, können sie mittlerweile beruhigt davon ausgehen, dass ein absoluter Großteil der jüngeren Bevölkerungsschichten mit dem modernen Elfenbild zumindest ansatzweise vertraut ist. Die Lage ist sogar noch komfortabler: Trifft ein Elfologe auf einen Laien, der tatsächlich noch nie auch nur die Abbildung eines Elfen gesehen hat, muss der engagierte Forscher nun nicht länger auf Illustrationen in randobskurer Fachliteratur verweisen, um sein Gegenüber aufzuklären. Der durchschlagende Erfolg der Verfilmungen
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