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Alles fuer die Katz

Alles fuer die Katz

Titel: Alles fuer die Katz
Autoren: James Herriot
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Unglück auf. Sie ließ ihren Finger über das schmutzige Fell gleiten, und das kleine Mäulchen öffnete sich zu einem nicht vernehmbaren Miau.
    »Ist es nicht seltsam? Und dazu noch zu Weihnachten.«
    Ich kniete und fühlte nach Debbies Herz. Es schlug nicht mehr.
    »Sie ist tot«, sagte ich, hob den kleinen, fast gewichtslosen Körper auf, wickelte ihn in ein Tuch und trug ihn zum Wagen.
    Als ich zurückkam, streichelte Mrs. Ainsworth noch immer das Kätzchen. Ihre Tränen waren getrocknet, und sie lächelte, als sie mich ansah.
    »Ich hatte noch nie eine Katze«, sagte sie.
    »Na, jetzt haben Sie wohl eine.«
    Und das hatte sie wirklich. Das Kätzchen wuchs schnell zu einem schlanken, hübschen und etwas ungestümen Kater heran, der Buster getauft wurde. Er stand in jeder Beziehung im Gegensatz zu seiner scheuen kleinen Mutter. Die Entbehrungen des freien und geheimnisvollen Lebens waren nichts für ihn; er stolzierte wie ein König über die dicken Teppiche im Hause Ainsworth, und sein schmuckes Halsband trug noch zu seiner Würde bei.
    Bei meinen Besuchen beobachtete ich seine Entwicklung mit viel Freude, aber ich werde nie den ersten Weihnachtsfeiertag genau ein Jahr später vergessen.
    Ich machte wie gewöhnlich die Runde. Ich kann mich nicht erinnern, je zu Weihnachten frei gehabt zu haben, denn die Tiere wollen einfach nicht lernen, dass es Feiertage gibt. Im Lauf der Jahre habe ich aufgehört, mich darüber zu ärgern. Wenn ich in der kalten Winterluft in Ställen und Scheunen herumstampfe, hole ich mir wenigstens einen gesunden Appetit für den Putenbraten; ganz abgesehen von den zahlreichen Aperitifs, die mir die gastfreundlichen Farmer anbieten.
    Ich war auf dem Heimweg und fühlte mich wie in einer rosigen Wolke. Ich hatte mehrere Whiskys getrunken – den die Farmer von Yorkshire wie Limonade einschenken –, und den Rest hatte mir ein Glas Rhabarberwein bei Mrs. Earnshaw gegeben.
    Als ich an Mrs. Ainsworths Haus vorbeifuhr, hörte ich sie rufen. »Frohe Weihnachten, Mr. Herriot!« Sie winkte mir fröhlich zu. »Kommen Sie herein und trinken Sie was, um sich aufzuwärmen.«
    Mir war warm genug, aber ich parkte den Wagen ohne Zögern. Das Haus war wieder festlich geschmückt, wie im letzten Jahr, und der köstliche Duft von Putenbraten, Salbei und Zwiebeln regte meine Magensäfte an. Aber das war halb so wichtig. Wichtig war Buster.
    Er sprang nacheinander auf die drei Bassets zu, hielt die Ohren steif, funkelte teuflisch mit den Augen, gab ihnen einen kleinen Tatzenhieb und lief wieder davon.
    Mrs. Ainsworth lachte. »Er ist eine wahre Plage für die Hunde. Lässt ihnen keine Ruhe.«
    Sie hatte Recht. Für die Bassets war Buster so etwas wie ein respektloser Eindringling in einem exklusiven Londoner Club. Lange Zeit hatten sie ein maßvolles Leben genossen: regelmäßige Spaziergänge mit ihrer Herrin, gutes Futter in großen Mengen und lange Stunden friedlichen Schnarchens auf den Teppichen und in den Sesseln. Sie hatten ihre Tage in ungestörter Ruhe verbracht. Bis Buster auftauchte.
    Er tänzelte an den jüngsten Hund heran und reizte ihn. Als er mit beiden Vorderpfoten auf ihn einboxte, war es selbst für den Basset zu viel. Er ließ seine Würde fallen, rollte sich auf den Rücken und ließ sich mit dem Kater in einen kurzen Ringkampf ein.
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Mrs. Ainsworth nahm einen harten Gummiball von der Anrichte und lockte Buster in den Garten. Sie warf den Ball über die Wiese, und der Kater sprang ihm behände über den frostigen Rasen nach, nahm ihn mit den Zähnen auf, ließ ihn zu ihren Füßen fallen und sah sie wartend an. Sie warf ihn noch einmal, und er brachte ihn wieder zurück.
    Ich glaubte meinen Augen nicht. Ein Kater als Apportierhund! Mrs. Ainsworth sah mich an. »Haben Sie je so etwas gesehen?«
    »Nein«, antwortete ich. »Noch nie. Eine bemerkenswerte Katze.«
    Sie nahm Buster auf den Arm, und wir gingen ins Haus zurück. Sie lachte, als der Kater schnurrte und sich an ihrer Wange rieb.
    »Debbie wäre glücklich«, sagte sie.
    Ich nickte. »Ja, das wäre sie... es ist ein Jahr her, dass sie ihn brachte, nicht wahr?«
    »Genau ein Jahr.« Sie drückte Buster an sich. »Das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich je bekommen habe.«

    Ende - 01 - Alles für die Katz

Quellenverzeichnis
     
    Die folgenden Geschichten sind dem Band »Ein jegliches nach seiner Art«,
    Copyright © 1993 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, entnommen. 
    Deutsch von
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