Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles Boese mir vergib

Alles Boese mir vergib

Titel: Alles Boese mir vergib
Autoren: David Meinke
Vom Netzwerk:
dich trotzdem auf ein Bier einladen?“
    Ich starrte ihn an.
    „Was willst du?“, fragte ich. Der Grönländer verabschiedete sich lächelnd.
    „Ich bin einfach nur was trinken gegangen. Mir war langweilig. Ich komme selten raus, also … Und dann hab ich dich hier gesehen.“
    Stille. Will sagen: Bonsoir Madame von Big Fat Snake krächzte aus den Lautsprechern und füllte den Raum zwischen uns.
    „Ich schulde dir eine Entschuldigung. Ich … Ich war damals so verdammt gestresst. Das habe ich jetzt hinter mir.“
    Noch mehr Big Fat Stille.
    „Da dachte ich mir, ich könnte dir ein Bier spendieren. Aber wenn das nicht …“
    „Vielleicht einen Breezer?“, antwortete ich. Das Gefühl, ganz, ganz oben auf einer Rutsche zu stehen, und dann … Fuck it. Ich konnte sehen, zu was das führen würde. Es gab ja doch nichts anderes zu tun.
    Borste kam mit zwei Bieren und zwei Breezern zurück.
    „Was ist mit diesem Afro?“, fragte ich.
    „Der ist im Knast. Wegen Bankraubs.“
    „Nicht gerade der Hellste, hm?“
    „Er ist ein Psychopath. Ich hätte mich von ihm fernhalten sollen.“ Borste starrte ein wenig in die Luft und nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier. „Er war ein verdammt guter Dealer. Er hat bestimmt einiges beiseitegelegt für die Zeit nach dem Knast. Aber … wie geht es dir denn so?“ Ich beantwortete diese total abstruse Frage, indem ich ihm ein wenig von den Prüfungen und Abschlussprüfungen erzählte. Dem Gespräch mit dem Rektor. Und … dem „Personenschaden am Gleis“. Ich lachte, als ich das erwähnte.
    „Bist du sicher, dass du das lustig findest?“, fragte Borste. Er blickte mich misstrauisch an.
    „Ne, eigentlich gar nicht. Das war echt traurig.“
    „Manche wollen anscheinend einfach nicht mehr leben. Meine Mutter ist auch gesprungen. Nur war das von einem Hochhaus in Gladsaxe.“
    „Shit. Wie alt warst du da?“
    „Elf. Aber … halb so wild. Hab’s nur erwähnt, weil du diese Geschichte erzählt hast.“ Er nahm einen Zug von seiner Zigarette und fuhr fort: „Früher habe ich ganz viel darüber nachgedacht. Auch daran, mich selbst umzubringen. Logischerweise vor allem, wenn ich Stress hatte. Aber irgendwie schien … Ja, irgendwie konnte ich keinen Sinn darin sehen.“
    „Stress wegen was?“
    „Wegen diesen kleinen Wichsern, mit denen ich mich damals eingelassen hatte.“
    „Was ist dann der Sinn?“
    „Ich werd’s dir sagen. Ich hab keinen Schimmer. Aber das ist mir egal, denn am Wochenende gehe ich mit Ginger in den Tivoli .“
    „Ist das deine Freundin?“
    „Nein, verflucht noch mal. Das ist meine Tochter. Drei Jahre alt, Mann. So klein ist die.“ Er zeigte mit seiner Hand, wie groß sie war. „Deshalb ist das Ganze total egal. Ich kann mir ja nichteinfach das Leben nehmen, das geht nicht. Dann würde sie ihren Vater verlieren. Ich weiß, wie es ist, einen Elternteil zu verlieren. Das soll sie nicht erleben müssen.“
    „Aber ist das der Sinn des Lebens?“
    „Was weiß ich? Mir gibt das ein gutes Gefühl. Mit ihr auf den Schultern herumzulaufen und sie jubeln zu hören, weil man an der Schießbude eine Rose trifft.“
    Ich dachte kurz an Rie, die angehende Krankenschwester. Ich hatte eine Weile geglaubt, dass ich sie geschwängert hatte.
    „Und wo ist Ginger?“
    „Zu Hause bei ihrer Mutter. Das mit dem Zusammenwohnen kriegen wir nicht richtig gebacken.“
    „Und wo kriegen wir jetzt das gute Gefühl her?“
    „Wir könnten uns ja vielleicht hiermit behelfen?“ Er hielt mir eine kleine Plastikdose hin. Sie war gelb und rund und hatte einen durchsichtigen Deckel.
    „Nein, scheiße, mit so was will ich nicht anfangen.“ Durch den Deckel konnte ich ein weißes Pulver sehen.
    „In Ordnung“, sagte er und ließ die Plastikdose in der Tasche seiner Kapuzenjacke verschwinden. „Aber du sollst wissen, dass ich aus der Kacke raus bin. Ich bin ja eigentlich Mechaniker. Das Einzige, was ich verkaufe, ist der Stoff von den Pflanzen, die bei mir in der Wohnung wachsen. Zum Eigenverbrauch. Für die Festivals im Sommer.“
    Das bezweifelte ich ein klein wenig. Kramte etwas Kleingeld hervor und holte die nächste Runde. Ich war nicht besonders trinkfest und die vier, fünf Breezer, die ich intus hatte, zeigten sofort ihre Wirkung.
    „Gymnasium?“ Er lächelte und zog an seiner Zigarette – trotz des Rauchverbots, um das sich offenkundig niemand scherte.
    „Hmpf.“
    „Bist du intelligent?“
    „Hm.“
    „Darüber redest du vielleicht nicht gern,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher