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Alles Boese mir vergib

Alles Boese mir vergib

Titel: Alles Boese mir vergib
Autoren: David Meinke
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zielstrebig und nie zwanghaft gewesen. Er war wirklich glücklich gewesen, als er von seinem Date mit Veronica in Kongens Have erzählte. Von einem Tag auf den anderen entdeckte er seine Leidenschaft für Brie und ein gutes Glas Rotwein. Und Veronica war eine, die Geschirr sammelte und ein dickes Sparkonto hatte, von dem man später eine kleine Eigentumswohnung kaufen könnte.
    Und natürlich ist es schön, wenn deine Freunde glücklich sind – selbst wenn man mit der Freundin des Freundes nicht viel anfangen kann. Der Haken war nur, dass ich ihm die Sache nicht abnahm. Er lief einem Traum hinterher – dem Traum, derauch von guten Noten, von einer Karriere, einer Frau, Kindern, einem Hund und einer Altersvorsorge handelte. All das, aus dem das Leben besteht. Und dann ging es natürlich auch ganz profan darum, regelmäßig zu vögeln. Ich glaube, dass Mateus in diesem Punkt zufrieden gewesen war, zumindest in der gesamten ersten Woche ihrer Beziehung. Inzwischen waren sie seit einem Monat zusammen, und Mateus wollte einfach nicht zugeben, dass er nicht mehr er selbst war, wenn er mit Veronica zusammensteckte. Und wenn ich mit dem, was noch von ihm übrig war, Zeit verbringen wollte – dann musste ich dafür auch ihre Gesellschaft in Kauf nehmen.
    „Jonathan Swift“, antwortete ich.
    „Fuck“, sagte Veronica.
    „Er weiß solche Sachen einfach“, sagte Mateus und grinste mich stolz an. Ich schob meine Figur ins Ziel. Bedankte mich. Sagte Tschüs. Keine Aufregung. Wir waren wohl alle erleichtert, dass es so gelaufen war, wie es gelaufen war. Es war zehn Uhr, die Sonne war fast untergegangen und ich müde. Ausnahmsweise mal zur rechten Zeit.

Safe Place
    Viertel vor fünf, und unsere Wohnung war sauber und aufgeräumt. Mein Vater und ich hatten den Esstisch aus dem Keller hochgetragen, und jetzt war er hübsch gedeckt mit weißem Tischtuch und feinem Porzellan. Mein Vater faltete Servietten zu kleinen Schwänen, während meine Mutter Lachs im Teigmantel aus Aluschalen in eine feuerfeste Backform legte. Wir feierten Sandras Abitur. Hätte sie zehn Punkte in Französisch bekommen, dann wäre sie vielleicht zum Jurastudium zugelassen worden. Nun waren es nur vier. Ich war ins Gymnasium gegangen, um ihr zu gratulieren, aber sie war nicht gerade in Feierlaune gewesen. Joakim kam auf seiner Suzuki Samurai angebraust, mit Lederjacke, Spiegelsonnenbrille und zwanzig roten Rosen. Er war gleich wieder abgedüst, weil er zurück zum Sender musste, um völlig beschränkte Interviews mit den dummen Tussis von Paradise Hotel zu drehen.
    „Baby, wir sehen uns heute Abend“, sagte er sanft, klemmte sich den Helm unter den Arm und warf ihr einen Handkuss zu. Das hob ihre Laune ein wenig.
    Jetzt hockte sie in ihrem Zimmer und telefonierte mit ihren Freundinnen, während der Rest der Familie fein den Tisch deckte für Vorspeise, Hauptspeise und Dessert. Ich hörte Bruchstücke ihrer Unterhaltung.
    „Kasper, Mann, dieser Arsch, echt …“
    „Rosa? Die war doch schon immer eine totale Pflaume in Französisch.“
    „Ich werde jetzt erst mal Geld verdienen. Scheiß auf Jura.“
    „Look“, sagte mein Vater plötzlich. Er stand auf und ging zu meiner Mutter. In der Hand hielt er einen Frosch, den er aus einer weißen Serviette gefaltet hatte.
    „Yes, it’s fine“, murmelte sie, während sie die Blätter von den Erdbeeren zupfte.
    „Quak, quak.“ Mein Vater lachte.
    Das Telefon meiner Mutter klingelte. Es waren Oma und Opa. Ich rannte los, um sie in Nordhavn von der S-Bahn abzuholen.
    Als ich von der Sortedams-Schule abging, musste ich zum Schulpsychiater, weil meine Mutter glaubte, dass ich „maladaptiv“ war. Richtig beobachtet. Der Psychologe war ein Mittvierziger mit Baumwollhemd, Tierzahnanhänger an der Halskette und einer Tankstellen-Lesebrille im Kragen. Als ihm klar wurde, dass ich mich nicht im Handumdrehen für ihn öffnete und ihm meine innersten Gefühle offenbarte, bat er mich, einen „Safe Place“ zu finden. So nannte er das. Einen Ort, an dem ich mich einmal vollkommen geborgen gefühlt hatte. Und ich dachte an das eine Mal, als ich mit Opa im Schrebergarten Äpfel pflückte. Es war Spätsommer, aber ich trug nur Shorts. Ich war vielleicht sechs. Opa bat mich, auf den alten Apfelbaum zu klettern. Er blieb unter dem Baum stehen, bereit, mich aufzufangen. Auch er mit nacktem Oberkörper, sodass man seine Tätowierungen sehen konnte, die seinen Arm und den Bauch bedeckten. Auf der linken Brust hatte er ein
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