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Alles Boese mir vergib

Alles Boese mir vergib

Titel: Alles Boese mir vergib
Autoren: David Meinke
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hä?“
    „Ich …“ Ich nahm eine der filterlosen Zigaretten aus seiner Packung und klopfte damit auf den Tisch. Zündete sie an.
    „Im Moment hab ich keine Ahnung, was ich mit der ganzen Kacke anfangen soll. Ich gehe aufs Gymnasium. Bin mehr oder weniger jeden Tag dort. Aber wozu?“
    „Willst du meine ehrliche Meinung?“, sagte Borste und nahm rasch einen Schluck Bier. „Du bist achtzehn? Neunzehn?“
    „Achtzehn.“
    „Okay. Achtzehn. Solltest du da nicht einfach nur vögeln und feiern und ein paar krasse Sachen anstellen?“
    „Immerhin sitze ich hier und trinke mit meinem Kidnapper, oder?“
    Das leuchtete ihm ein. Ich lächelte und rauchte weiter.
    „Hast recht“, meinte er.
    „Und dieses Plastikding in deiner Tasche?“ Ich deutete auf seine Jacke. Mir fiel auf, dass sie fast genauso aussah wie die, die Jonathan immer angehabt hatte und mit der Liv jetzt die ganze Zeit herumlief.
    „Was ist damit?“
    „Vielleicht sollten wir doch ein bisschen Spaß haben, während wir hier herumsitzen und nach dem Sinn des Lebens suchen?“
    „Bist du sicher?“
    Ich sagte nichts. Da stand er auf und gab mir mit einem Wink zu verstehen, dass ich ihm nach draußen folgen sollte. Wir setzten uns auf eine Bank am Ufer des Peblingesøen und schnupften beide eine Nase Koks.
    „Wollen wir JETZT endlich feiern?“, fragte er. Meine Nervenzuckten. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn ich zu doppelter Größe angeschwollen und grün geworden wäre. Heilige Kuhscheiße.
    Als ich fünf war, entdeckte ein Schulzahnarzt seltsame Schatten auf den Röntgenbildern von meinem Unterkiefer. Ich erinnere mich nicht mehr an die Einzelheiten, die ganze Sache lag vollkommen in der Hand meiner Mutter. Wir fuhren zur Zahnklinik, wo man mich betäuben würde, um eine Zyste zu entfernen. Ich wusste nicht, was mich dort erwartete. Ich wusste auch nicht, was eine Zyste war. Mich wunderte nur, dass man Badelatschen an den Füßen tragen musste. Ich musste mich auf eine Pritsche legen, und dann verabreichte mir ein Arzt die Narkose durch eine Maske auf dem Gesicht. Meine Mutter hielt mir die Hand, während ich versuchte, bis hundert zu zählen. Ich kam so bis vier.
    Es schien nur einen Augenblick später zu sein, als ich durch ein weißes Tuch mit zwei Augenschlitzen nach oben blickte. Ich fühlte mich wach, lag aber trotzdem nur da und schaute durch die Löcher im Tuch.
    Irgendwo in der Nähe hörte ich einen Jungen schreien. Ich richtete mich auf und sah meine Mutter an, die sich ruckartig zu mir umwandte.
    „Warum hat er geschrien?“, fragte ich.
    „Das weiß ich nicht“, sagte meine Mutter.
    Eine Krankenschwester kam ins Zimmer. Sie wollte wissen, wie es mir ging.
    „Warum hat er geschrien?“, fragte ich erneut.
    „Ihm ging es nicht so gut“, antwortete die Krankenschwester. Das hatte ich bereits kapiert. Die Frau sah kurz zu meiner Mutter und sagte leise: „Er ist unter der Anästhesie aufgewacht.“ Sierechnete wohl nicht damit, dass ich das Fremdwort verstand. Aber das tat ich.
    Als ich am nächsten Tag aufwachte, ähnelte mein Zustand sehr dem von damals, als mir die Zyste entfernt worden war. Das Gefühl, dass man betäubt wird und nach einem wichtigen Ereignis erwacht. Und die Gewissheit, dass so etwas grausam schiefgehen kann.
    Wir waren offenbar noch weiter durch die Stadt gezogen. Ich erinnerte mich, mit einer etwas älteren Frau getanzt zu haben – keine Ahnung, wo. Dann noch eine Line Koks. Dann kippte ich einen Cocktail weg. Dann noch eine Line.
    Es war zwei Uhr nachmittags, ein Samstag. Ich lag da und dachte an dieses Tuch mit den Augenschlitzen – und die Schreie des Jungen.
    Ich zog mich an, aß ein Käsebrot und griff zum Telefon.
    „Hey, gehen wir in die Videothek und leihen uns einen Splatterfilm aus?“ Schon an der Art, wie er Luft holte, konnte ich hören, dass Mateus mit Veronica verabredet war.
    „Ja, coole Idee, echt. Es ist nur, also … Veronica kommt gleich vorbei.“
    Damit wollte Mateus andeuten, dass ich nicht willkommen war; zum einen, weil er dann nicht den Delfin eintauchen konnte, und zum anderen, weil Veronica mich nicht leiden konnte.
    „Mag sie Splatterfilme?“
    „Ja, ganz bestimmt. Ich weiß es nicht.“ Bei so einer Antwort verdiente er es, noch ein wenig länger zu zappeln.
    „Dann dürfte sie also fast in der Lage sein, 30 Days of Night zu sehen?“
    „Na, okay, scheiße. Ich schau mal, was sie dazu meint.“
    Ich legte auf und ging zum Basketballplatz, obwohl die
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