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Alles Boese mir vergib

Alles Boese mir vergib

Titel: Alles Boese mir vergib
Autoren: David Meinke
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Glockenschlag meine Schürze herunterriss und mich verabschiedete. Ich warf einen Blick auf die Kasse. Sie blieb verschlossen, und ich rannte los.
    Ich konnte Borste schon von Weitem sehen. Er stand vor der Bar und rauchte. Ich sah auch den kleinen klapprigen Nissan, der ganz langsam an mir vorbeifuhr. Ohne Nummernschilder. Ich sah, wie ein Typ auf der anderen Straßenseite ausstieg und auf Borste zuging. Der hob abwehrend die Hand. Ich hörte es zweimal krachen. Beim ersten Knall verschwand Borstes Hand in einer roten Wolke. Beim zweiten flog er zwei Meter rücklings in die Scheibe hinter sich. Der Typ warf ein kurzes Gewehr vonsich und rannte davon. Der Nissan wendete mit quietschenden Reifen und fuhr in die andere Richtung. Dann herrschte erst einmal Stille.
    Ich lief zu ihm. Es hatte sich bereits eine Blutlache gebildet. Ich sah … nur eine Millisekunde lang hin. Dann kehrte ich um. Dieses Bild von ihm wird niemals verblassen. Wenn ich an ihn denke, sehe ich zwei Bilder: wie er sich von Ginger verabschiedete – und wie er da auf der Straße lag. Seine Hand glich einer roten Rose. Sein Hemd war vollkommen rot mit dunkelroten Flecken. Er hatte die Augen offen, aber keinen Blick. Jemand hatte Ginger den Vater geraubt. Weil ich ihm Geld schuldete. In der Elmegade stützte ich mich gegen eine Hauswand und spürte, wie sich der Boden unter mir öffnete.
    „Gut für den Garten“, hatte sie gesagt. So eine blöde Kuh.
    Sandra und meine Mutter waren zu Hause.
    „Konntest du dich mit ihm einigen?“, flüsterte Sandra. Meine Mutter verkündete, dass sie einen Kuchen backen wolle. Ich ging rauf in mein Zimmer, ohne zu antworten. Dort rief ich Vivian an. Sie hob ab, stand aber ganz offensichtlich unter einem schweren Schock. Sie schrie etwas Unverständliches in die Leitung.
    „Soll ich Ginger holen?“, fragte ich. Sie antwortete nicht. Ich fuhr nach Ishøj. Sie saß am Küchentisch, als ich ankam. Eine der Frauen von der Grillparty saß neben ihr. Auf dem Tisch stand eine Flasche Wodka und eine Tablettendose.
    „Ginger ist drüben im anderen Zimmer“, sagte die Freundin.
    „Die Polizei will mit dir reden“, sagte Vivian plötzlich. „Sag ihnen, wie es ist. Dass du für uns auf Ginger aufgepasst hast, dass du Borste erst vor Kurzem kennengelernt hast und dass du nichts wusstest.“ Sie blickte mich starr an und warf dann derFreundin einen kurzen Blick zu. Ich nickte langsam. „Rufst du mich morgen an? Und könntest du vielleicht mit Ginger reden?“
    Ginger hockte in ihrem Zimmer und warf sich mir in die Arme, als sie mich sah.
    „Warum weint meine Mama?“, fragte sie.
    „Weil dein Papa weg ist“, antwortete ich.
    „Wo ist er hin?“, fragte sie. Sie fuhr mit den Händen über mein Stoppelhaar.
    „Er kommt nicht zurück.“
    „Aber wo ist er denn hin?“, fragte sie wieder.
    „Ich weiß es nicht.“
    „Bist du mein Onkel?“
    „Ja. Ich bin dein Onkel.“
    „Ein Onkel passt auf einen auf und kauft Videofilme“, sagte sie.
    „Willst du mit zu mir nach Hause und mein Zimmer sehen?“, fragte ich.
    „Jetzt gleich?“
    „Ja.“ Ich hob sie hoch. Sie war so klein und dünn.
    „Du siehst ein bisschen böse aus“, sagte sie.
    „Echt?“
    „Weil du eine Glatze hast.“
    Als wir zu mir nach Hause kamen, versteckte sich Ginger hinter meinen Beinen.
    „Mama. Sandra. Das ist Ginger. Ich passe eine Zeit lang auf sie auf.“
    „Nein, wie schön“, sagte meine Mutter und ähnelte einem doppelten Fragezeichen, während sie eine Glasur auf ihren Kuchen strich.
    „Sie ist die Tochter einer Freundin.“ Ich setzte mich mit Ginger auf dem Schoß an den Tisch. Sie legte mir den Kopf an die Brust.
    „Du und deine Freundinnen“, sagte meine Mutter lachend. Sandras Hände begannen zu zittern.
    „Lies mal die Nachrichten im Internet“, flüsterte ich. Sie lief sofort nach oben.
    „Hat Sandra dir schon erzählt, dass sie eine Arbeit gefunden hat? In einer Bar.“
    Sandra kam zwei Minuten später zurück.
    „Erzähl ihm das, Sandra. Das mit deiner Arbeit. Und DU , meine Liebe“, sagte sie und schaute Ginger an, „hast du Lust auf ein Stück von diesem herrlichen Kuchen?“ Ginger nickte, und meine Mutter ließ ein großes Stück wie ein Flugzeug zu ihr hinfliegen. Ginger lachte. Meine Mutter sagte: „Bei uns dürfen kleine Mädchen so viel Kuchen essen, wie sie möchten.“
    „Ich bin schon groß“, sagte sie und nahm einen Bissen. Dann beugte sie sich zu mir, zeigte auf Sandra und flüsterte: „Warum
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