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Alles Boese mir vergib

Alles Boese mir vergib

Titel: Alles Boese mir vergib
Autoren: David Meinke
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heiße … Jonathan“, antwortete ich einfach aus dem Blauen heraus.
    „Jonathan. Ich heiße Theis. Willst du ein Bier?“
    Plötzlich war es sechs Uhr, und ich war ganz schön blau. Die beiden anderen waren wohl der Auffassung, dass sie die Lkws auch mit ein paar Bier intus problemlos auf die Fähre fahren konnten. Wir gingen zum Transportzentrum.
    „Hier wirst du also sitzen, Freundchen“, sagte Jensen. Er öffnete den Frachtraum. Der war bis zum Rand mit Kisten gefüllt, die auf Palette standen. „Versuch mal, ob du reinkriechen kannst.“
    Ich sprang hinauf und hievte mich rein. Ich fand ein Loch, in dem ich sitzen konnte. Und dann schloss Jensen die Luke wieder. Es wurde kohlrabenschwarz. Ich spürte, dass wir kurz fuhren. Es rasselte. Wir waren an Bord. Ich war so müde, dass die Kisten wunderbar als Kissen dienten.
    Ich weiß nicht, wie spät es war, als ich aufwachte. Ich hatte einen total steifen Nacken und zitterte vor Kälte. Wie lächerlich bei all den Klamotten um mich herum. Ich dachte mal wieder nach. Über alles. Kam aber nur zu dem dürftigen Ergebnis, dass ich Vicki und Ginger je einen Hamster schenken würde, wenn ichlebend aus dieser Sache herauskam. Die Fahrt von Kopenhagen nach Swinemünde war mir lang vorgekommen, aber das war absolut nichts gegen eine Reise in einem Lkw, in dem es dunkler war als in einem Bärenarsch. Ich leuchtete mit meinem Handy, bis der Akku leer war. Egal. Es gab eh niemanden, den ich anrufen wollte, und niemanden, der mich anrief. Ich ergab mich der Dunkelheit und versuchte, mich an Reime und Lieder aus meiner Kindheit zu erinnern. Versuchte, mich an all meine Lehrer zu erinnern. („Wenn Sie ihn nicht in den Griff kriegen, wird er in der Gosse enden“, hatte Petra Møller bei einem Elternabend meinen Eltern erklärt. Meine Mutter war stocksauer, aber Metra Pøller hatte schließlich recht behalten.) Ein Lied kam mir in den Sinn:
    Tief im Tal stand eine Hütte klein und fein,
    Hier wohnte ’ne Alte, der steckt ich ihn rein.
    Sie biss mir in die Eier, die wurden blau und bläuer,
    Da ging ich zum Doktor, das war mir nicht geheuer.
    Jetzt sitz ich zu Haus mit ’nem Hodenverband
    Und denk an die wilden Tage außer Rand und Band
    Doch kommt ’ne Alte und klopft mir an die Tür
    Reiß ich den Verband ab und besorg es ihr.
    Das Lied sang ich am ersten Tag in meiner neuen siebten Klasse, um sozusagen mein Revier abzupinkeln. So machte man das früher. Mateus lachte am lautesten. Jonathan lachte auch. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, dass er jetzt neben mir saß, Jonathan. Er würde mit seinen angezogenen Giraffenbeinen dasitzen und lachen: „Nick, du verdammter Idiot“, würde er sagen. Aber er würde lachen. Ich würde lachen. Und er würdeMateus dazu bringen, auch mitzulachen, obwohl Mateus sauer war. Bei dem Gedanken wurde mir wieder warm. Aber Jonathan war tot. Das brachte die Kälte zurück.
    Endlich passierte wieder etwas. Der Motor startete. Jensen gab Gas, wir rollten vorsichtig nach draußen. Einen Augenblick lang fürchtete ich, dass Jensen Skisachen nach Norwegen liefern würde, aber dann öffnete sich die Luke doch.
    „So, Jonathan. Endstation. Ich fahre nach Odense.“
    Ich war wieder in Kopenhagen.

Bisschen böse
    Ich stand um acht Uhr im Hafen. Um acht Uhr musste ich in der Bäckerei sein. Ich rief sofort an. Dame Edna war sauer. Ich war fix und alle, und Ann war ebenfalls sauer, als ich ankam, weil sie eine Zeit lang allein gewesen war. Die Anspannung – also die körperliche in meinem Nacken und Bauch – war zurück. Ich hielt ständig nach Borste Ausschau, aber er war nicht zu sehen. Dame Edna bekam keine große Resonanz auf ihre „Wenn-du-nicht-pünktlich-bist-hast-du-hier-nichts-verloren“-Ansprache. Um zwei kam Vicki und löste mich ab.
    „Geh nach Hause und schlaf dich aus“, befahl sie.
    Ich schlief bis um zehn Uhr abends. Sandra weckte mich.
    „Dieser eklige Typ ist wieder unten an der Tür, Nick. Soll ich ihm sagen, dass er abhauen soll?“
    An meiner Wange klebte kalter Speichel, und sämtliche Grippesymptome standen mir auf die Stirn geschrieben.
    „Nein. Ich gehe runter und rede mit ihm.“
    Es war schon wieder dunkel, als ich zur Tür kam. Borste stand draußen am Bürgersteig. Sein linker Arm steckte in einer Schlinge. Ich ging zu ihm hin. Er umarmte mich vorsichtig. Als ich mich aus seinen Armen löste, schnitt er eine Grimasse.
    „Jetzt ist es bald so weit, Nick. Du musst die 40000 besorgen. Bis
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