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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst
Autoren: Louise Millar
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beobachte ich ihr Mienenspiel. Wie in Zeitlupe malmen die Muskeln in ihr, dann erstarrt ihr Gesicht in einem Ausdruck, vor dem ich erschrecke. Nicht unähnlich den Fratzen der Wasserspeier, die von Kathedralen herunterstarren.
    Unwillkürlich krieche ich noch tiefer in die Wand hinein. Dann öffnet Suzy den Mund.
    »Heißt das, du hältst mich für eine Betrügerin, Cal?«, sagt sie mit einer fremden Stimme.
    »Nein«, murmle ich bedrückt. »Ich sage nur, dass ich es verwirrend finde, wie viele Leute mir andere Geschichten erzählen. Weiter nichts.«
    Sie schnaubt.
    »Und du glaubst allen anderen eher als mir? Deiner Freundin, die immer zu dir gehalten hat?«
    »Nein. Natürlich nicht.« Aber dann zwinge ich mich, ihrem Blick zu begegnen. »Also eigentlich, Suze, wenn ich ehrlich bin – ich weiß es nicht.«
    Meine Worte hängen in der Luft. Ich habe sie ausgesprochen. Ich kann sie nicht mehr zurücknehmen. Ich schaue nervös die Treppe hoch, ob Jez wohl hier ist.
    »Ach. Wie interessant«, sagt sie. Ihre Stimme wird beunruhigend laut. »Das ist ja wirklich interessant, Callie. Dass ausgerechnet du mir vorwirfst, dass ich dich belüge.«
    »Wie meinst du das?«
    Abrupt dreht sie sich um, und mit energischen, auf dem Holzboden hallenden Schritten geht sie in die Küche.
    Wie hypnotisiert folge ich ihr. Sie steht am Küchentisch, auf dem nichts liegt außer ein blaues Blatt Papier. Mit einem merkwürdigen Lächeln sieht sie mich an.
    Ich senke den Blick. Plötzlich weiß ich es. Dieses Blatt ist es, was aus meiner Wohnung fehlt.
    Die Klempnerrechnung.
    Und dann werden meine Knie weich, und ich stolpere auf einen Küchenstuhl zu.
     
    »Wo hast du die denn her?« Ich reiße mich zusammen, um das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken.
    »Von deinem netten Klempner. Er sagte, er habe die Adresse gesehen und sich gedacht, er spart dir einen Weg, wenn er die Rechnung selber einwirft, für – was hat er gleich gesagt, für wen? Genau: für
den Dad des kleinen Mädchens

    Raes Dad.
    Ich sehe mir das Blatt an. Da steht’s, in meiner eigenen Handschrift: Flock Ventures, darunter Jez’ Geschäftsadresse, die gleichzeitig seine Privatadresse ist. Die Rechnung, die ich ihm bei Gelegenheit persönlich geben wollte. Als ich müde aus der Klinik zurückkam, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass der Klempner die Rechnung unaufgefordert in Jez’ Briefkasten werfen würde, ohne mich zu fragen.
    Wie konnte ich so unvorsichtig sein?
    Suzys Stimme hatte ihre Klangfarbe verändert. War kalt geworden. Leer. Fremd.
    Auf wackligen Beinen ziehe ich den Stuhl hervor. Das Adrenalin, das fast zwanzig Stunden in mir kreiste, erschöpft sich nun rasch, und ich werde so schwach, dass ich mich kaum rühren kann.
    »Suze. Er ist nicht ihr Dad. Tom ist ihr Dad. Jez ist ein Typ, dem ich vor sechs Jahren in einer Bar begegnet bin, am Jahrestag des Todes meiner Mutter, als ich ein Wahnsinnstief hatte. Bevor wir uns kannten, Suzy. Lange vorher.«
    Sie nickt. »Und du bist nicht auf die Idee gekommen, dass er vielleicht verheiratet sein könnte, Cal? Du hast dir nicht die Mühe gemacht, zu fragen?«
    »Ich war betrunken …«
    »Ach ja, natürlich, diese entzückende Gewohnheit der Briten, sich volllaufen zu lassen, bis sie kotzen. Klar warst du betrunken, Cal. Aber wenn du nicht betrunken gewesen wärst und dich benommen hättest, wie es sich gehört, dann hättest du erfahren, dass ich in Denver saß, im achten Monat schwanger, und mich fragte, ob er jemals wieder nach Hause kommt.«
    Ich wende beschämt die Augen ab. »Dazu musst du ihn selber fragen, Suzy«, sage ich und setze mich endlich hin, weil meine Beine einzuknicken drohen.
    »O ja, das habe ich auch vor«, sagt sie mit derselben kalten Stimme. »Da kannst du Gift drauf nehmen. Und bitte gerne, setz dich doch. Fühl dich wie zu Hause. Das war doch immer der Plan, oder?«
    Ich versuche, die Beine unter den Tisch zu stellen, aber ich habe kaum noch Kontrolle über sie. Und merke, dass ich in der Falle sitze.
    »Das konnte ich natürlich nicht einfach auf sich beruhen lassen«, fährt Suzy fort und geht zur Küchenzeile hinüber. Am Rande nehme ich wahr, dass sie etwas aus einer Schublade nimmt. »Ich habe eine Freundin gebeten, ein bisschen zu recherchieren. Und rate mal, wo Jez neulich abends war, als ich darauf wartete, dass er von Birmingham zurückkommt? Und weißt du, was, Cal? Ich hab’s erst später gemerkt, aber ich konnte ihn an dir riechen.«
    Ich hebe ein Bein mit
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