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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst
Autoren: Louise Millar
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wollen. Aber das heißt immer noch nicht, dass Debs in diesem Fall unschuldig ist. Vielleicht war sie nach dem Erlebnis so traumatisiert, dass sie allgemein mit Kindern nicht mehr zurechtkommt? Suzy hörte ihren Mann sagen, sie solle nicht mehr mit Kindern arbeiten.«
    Die Beamtin zuckt mit den Achseln. »Dafür gibt es keinerlei Hinweis. Die Schulleitung stellte sie für den Hort ein, weil allen einleuchtete, dass hier ein sehr ungewöhnlicher Fall extremer Provokation vorlag. Vorher hatte sich Mrs. Ribell nie etwas zuschulden kommen lassen. Sie wurde sogar sehr geschätzt. Und Sie müssen bedenken, dass wir bei beiden Vorfällen keine Zeugen haben.«
    Ich seufze und trinke mehrere Schluck Mineralwasser, um klarer im Kopf zu werden.
    »Nein! Moment mal!«, sage ich plötzlich und knalle die Dose auf den Tisch. »Da gibt es doch jemanden. Raes Sturz in der Churchill Road am Mittwochabend wurde von einer Frau beobachtet. Das hat Suzy mir erzählt; sie sagte, eine Nachbarin hätte die Polizei angerufen. Befragen Sie doch diese Frau. Sie muss den Vorfall für ernst genug gehalten haben, um ihn bei Ihnen zu melden. Deshalb haben Sie Debs ursprünglich doch befragt, oder?«
    Die Beamten tauschen wieder vielsagende Blicke aus.
    »Was ist?«, frage ich ungeduldig. »Warum sehen Sie sich die ganze Zeit so an?«
    »Also …«, beginnt der Mann.
    »Was denn nun?«
    Der Beamte hebt die Hand, um das Gespräch zu unterbrechen, und holt ein Notizbuch hervor. Er blättert kurz darin, dann dreht er es zu mir hin und deutet auf eine Notiz.
    »Wer den Fahrradunfall gemeldet hat, war sie selbst – Suzy Howard«, erklärt er dann. »Andere Zeugen gibt es nicht.«
    Ich starre die Beamten an.
    »Und deshalb wollten wir Sie fragen, was Sie von Suzy Howard wissen«, sagt seine Kollegin. »Denn im Moment steht in beiden Fällen ihr Wort gegen das von Deborah Ribell.«

Sonntag
    Kapitel 56 Suzy
    »Hush, little baby«
, sang Suzy sanft an Ottos Bettchen, während ihm die Augen zufielen.
    Ihr Arm schmerzte höllisch, die Schnittwunde an der Stirn pochte.
    Egal. Das spielte jetzt keine Rolle mehr.
    Gott sei Dank war sie ihre Schwiegereltern losgeworden, sie hatte sie mit Jez und den anderen beiden Jungs in den Park geschickt. Sie war um sieben Uhr morgens in die Küche gekommen, um ihre Schmerztabletten zu nehmen, und hatte Diana dabei ertappt, wie sie den Kindern Trauben geben wollte, ohne sie kleinzuschneiden. Trauben! Kinder können an Weintrauben ersticken. Man merkte, dass die Frau ihren eigenen Sohn nie selbst betreut, sondern immer nur den Kindermädchen oder Haushälterinnen überlassen hatte.
    Suzy ging hinunter. Sie war gespannt, wie schnell Jez seine Eltern abwimmeln würde. Er hatte um neun in der Klinik angerufen und ihr dann berichtet, dass Rae aus dem OP gekommen war und nun auf der Intensivstation lag.
    »Gut, wir müssen einfach abwarten, Honey«, hatte sie gesagt und zu dem Foto mit den Jungs im Treppenhaus hochgeblickt.
    Wenn sie später allein wären, würde sie als Erstes auf das Foto zu sprechen kommen. Sie wollte eine neue Aufnahme, diesmal mit Jez. Ohne Widerrede.
    Dann würden sie etwas Leckeres essen und über die Klempnerrechnung plaudern, die sie schon für ihn auf den Küchentisch gelegt hatte. Anschließend würden sie nach oben gehen, und er würde ihr endlich geben, was sie wollte. Jetzt hatte sie die Kontrolle.
    Plötzlich hörte sie Schritte im Nachbarhaus. Interessant. Die Bekloppte war vom Polizeiverhör zurück. Wie das wohl gelaufen war?
    Lächelnd schlenderte sie in die Küche.

Kapitel 57 Callie
    Das Taxi setzt mich vor Suzys Haus ab.
    Ich bezahle den Fahrer und merke an seinem Gesichtsausdruck, aber auch an meinem Spiegelbild in den Scheiben, dass ich aussehe wie ein Gespenst. Meine Haare, die gestern im Regen nass geworden sind, stehen wild ab. Ich habe Ringe unter den Augen und vorn auf meinem weißen T-Shirt hässliche Kaffeeflecke, weil um zwei Uhr früh plötzlich der Chirurg in der Tür erschien und Tom und ich aufsprangen.
    »Danke«, sage ich zu dem Taxifahrer, weigere mich, seine Neugier zu befriedigen, und gehe.
    Die Straße ist ruhig. Ich bleibe kurz auf dem Gehweg stehen und lausche.
    In der Ferne rauscht der frühmorgendliche Wochenendverkehr wie Wellen, die sich am Meeresufer brechen. Über meinem Kopf stößt ein Grünfink seinen durchdringenden, abgehackten Ruf aus. Ich schließe die Augen und lausche noch mehr in die Tiefe. Das Summen der Stromleitungen. Der Schrei eines Kindes, weit
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