Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter
Autoren: Hans G. Bentz
Vom Netzwerk:
breiter Weg, aber jetzt war er eng, weil rechts und links mannshohe Schneeberge aufgeschichtet lagen. Die Laterne an der Ecke guckte gerade mit dem Glasgehäuse daraus hervor, und auf dem Kopf hatte sie ein fesches Schneebarett.
    Plötzlich kam in ziemlicher Fahrt über die Brücke ein Lastauto auf uns zu, so in dem Tempo >Immer fröhlich drauflos, die anderen werden schon ausrücken<. Ich winkte dem Wagen. Da ging er endlich mit der Geschwindigkeit herunter, fuhr aber weiter auf uns zu. Ich konnte gerade noch meine beiden Kleinen einfangen, quetschte mich halb sitzend in den Schnee und zog sie an den Halsbändern zwischen meine Knie.
    Und da, als der Wagen langsam an uns vorüberfuhr, erwachte in Peter das Entsetzen vor dem großen Rad. Er begann sich wie wild unter meinem Griff zu bäumen, das Halsband riß, er drehte sich um, sauste unter den Wagen, und das Hinterrad fuhr über ihn weg.
    Irgend jemand schrie gellend auf. War ich es? Peter? Ein anderer Mensch? Im Moment, als es geschah, schnappte in mir wieder jenes geheimnisvolle Relais ein, das unsere Seele vor dem Letzten, dem tötenden Schmerz, schützt und alles ganz fern und unwirklich erscheinen läßt.
    Das Peterle lag da äußerlich völlig unverletzt. Es richtete sich auf, aber nur mit dem Vorderkörper, und versuchte sich in Sicherheit zu bringen, indem es den gelähmten Hinterkörper gegen den Straßenrand schleifte. Weffi, vollkommen verwirrt und rasend durch das Geschehene, stürzte sich auf ihn, ich stürzte mich auf Weffi, da bekam mich Peter in der Kniekehle zu fassen und biß sich in seiner Todesangst an meinem Bein fest. Ich rutschte aus, fiel auf die Seite. Da waren auch viele Leute um mich herum, plötzlich auch Frauchen. Es war alles so unvorstellbar, so furchtbar unwirklich wie damals bei dem Autounglück. Frauchen stand da wie eine Wachsfigur, den Mund offen. Jetzt wankte sie, und die Leute rechts und links griffen nach ihr.
    Ja, was war denn? Sicherlich nur ein schlimmer Traum, Ich fühlte ja meinen Körper gar nicht, also tatsächlich ein Traum. Ich brauchte nur die Augen zu schließen und meinen Willen anzuspannen, um aus diesem Gräßlichen herauszubrechen und in der Wirklichkeit zu erwachen.
    Ich schloß die Augen, aber jetzt fühlte ich meinen Körper. Mein Bein schmerzte, und in der Hand, auf die ich mich stützte, begann die Kälte des Schnees sich bemerkbar zu machen. Man griff mir unter die Arme, half mir. Nein — nicht — laßt mich noch — ich will nicht — ich kann nicht. Ich öffnete die Augen. Die mitleidigen Gesichter über mir.
    Ich sah zur Seite. Da lag es, da lag Peterchen. Die Augen aufgerissen, die Zunge hechelnd, Blut um den Bart. Blut? Ich hoffte, daß es meines war. Der Hinterkörper leblos, flach auf den Schnee gepreßt.
    Ich sah wild um mich. Herr Zimmermann in seinem weißen Kittel war da und führte die Gefährtin gerade in seinen Laden. Eine fremde Frau stützte sie von der anderen Seite. Frauchen wehrte sich, wollte zu Peter zurück.
    »Eine Decke! Jemand muß eine Decke bringen. Er kann doch nicht so auf dem Schnee liegen.« War das meine Stimme, dieses rostige Krächzen? Ich kniete mich wieder neben Peterchen und streichelte ihn. Er war ganz still, sah mich nur an. Jemand brachte eine Decke. Unendlich vorsichtig hob ich Peterle hoch und legte ihn darauf. Er winselte leise. Dann schwieg er wieder.
    Das, was von mir übrig war, handelte ganz mechanisch. Ich hinkte zu Herrn Zimmermann herein. Er telefonierte schon nach dem Tierarzt. Der war nicht da.
    »Aber es muß doch ein Tierarzt irgendwo sein!« schrie ich.
    Er sah mich mitleidig an: »In Dengelstedt. Dr. Obermeir, ein guter Arzt. Aber es sind zehn Kilometer von hier! Die Straßen vereist!«
    »Das ist mir ganz egal!«
    Frauchen stand totenblaß am Ladentisch und sagte kein Wort. Wir blickten uns an und schauten dann gleich wieder angstvoll auf den Drogisten. Endlich bekam er Verbindung, sprach, wandte sich dann zu uns. Ja, Dr. Obermeir sei gerade noch da, ja, er warte auf mich, müsse dann allerdings bald weg.
    »Los!« sagte ich zu Frauchen. »Ich hole schnell den Wagen.«
    Der Drogist zeigte auf den Fußboden, wo neben meinem linken Schuh rote Flecken waren: »Aber erst verbinde ich Sie!«
    Ich ließ es fiebernd vor Ungeduld geschehen. Es war ein schwerer Biß, stellte Zimmermann fest. Ich müsse baldmöglichst zum Arzt. Ich sah ihn an, ohne ihn zu verstehen. Dann hinkte ich schnell hinaus und holte den Wagen. Wir faßten zu viert die Zipfel der Decke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher