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Alle lieben Emma

Alle lieben Emma

Titel: Alle lieben Emma
Autoren: Maja von Vogel
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und sie gerecht zwischen meinen verschiedenen Lieblingsbeschäftigungen aufteilen: Faulenzen und Schwimmen, Schwimmen und Faulenzen, und nicht zu vergessen: Faulenzen und Schwimmen.
    Außerdem wollte Papa mit uns zelten gehen, so wie in den letzten Sommerferien. Mein Vater heißt Rudi und manchmal nenne ich ihn auch so. Zum Beispiel, wenn ich ihm eine Freude machen möchte. Oder wenn ich etwas von ihm will. Er mag das nämlich ganz gerne, wenn ich Rudi zu ihm sage. Wahrscheinlich findet er, dass Papa zu sehr nach Sonntagsspaziergängen mit der Familie und pünktlich um zwölf Uhr Mittagessen klingt. Und das ist überhaupt nicht sein Ding. Er ist Maler. Aber das hört er nicht so gern.
    »Ich bin kein Maler, sondern Künstler!«, sagt er immer. »Ich streiche schließlich keine Wände an.«
    Vielleicht werde ich später auch mal Künstlerin. Papa sagt, dass ich ein verborgenes Talent habe. Ich weiß nicht genau, warum das Talent verborgen ist. Vielleicht, weil ich nur manchmal Lust zum Malen habe. Und meistens werden meine Bilder dann nicht fertig, weil ich nach einer Weile lieber wieder etwas anderes mache. Papa sagt, ich bin zu ungeduldig. Vielleicht werde ich auch Comiczeichnerin. Comics find ich nämlich klasse. Oder ich werde Weltklasseschwimmerin.
    Papa hat ein Atelier in der alten Scheune, die zu unserem Haus gehört. Da sitzt er den ganzen Tag und malt. Oder er haut Figuren aus großen Steinblöcken. Manchmal sitzt er allerdings auch im Garten und hält ein Schläfchen in der Sonne. Oder er repariert sein altes Motorrad, das ständig kaputt ist.
    »Neue Energien tanken und Inspiration schöpfen«, nennt er das, wenn Mama ihm mal wieder vorwirft, dass er zu wenig arbeitet und seine Zeit vertrödelt.
    Früher hat Papa viele Bilder gemalt. Die waren manchmal riesengroß. Öl auf Leinwand. Für die muss man bestimmt jede Menge Geduld haben. Ein paar von den etwas kleineren Bildern hängen bei uns im Wohnzimmer. Die großen hätten gar nicht an die Wand gepasst, weil die Decken in unserem Haus ziemlich niedrig sind. Wir wohnen nämlich in einem alten Bauernhaus. Ein paar Bilder hat Papa auch verkauft, aber leider nicht besonders viele. Deswegen malt er jetzt kaum noch richtige Bilder, sondern illustriert Bücher. Kinderbücher und Schulbücher. Manchmal auch Kochbücher.
    »Das ist nur vorübergehend«, sagt er oft. »Ich bin schließlich kein Gebrauchskünstler. Aber die Zeit für meine Bilder ist eben noch nicht reif.«
    Ich finde das gar nicht so schlecht. Solange er darauf wartet, dass die Zeit für seine Bilder reif wird, hat er mehr Zeit für Tim und mich. Zum Beispiel, um mit uns zelten zu gehen.
    Während ich also an diesem Montag neben Tim zum Schulbus lief, freute ich mich auf die Sommerferien und dachte darüber nach, wohin wir am besten zum Zelten fahren könnten. Auch der restliche Tag verlief für einen Montag ungewöhnlich angenehm: In Mathe spielten wir Vier-Ecken-Raten, weil es die letzte Stunde vor den Ferien war, in Deutsch las uns Frau Meisner aus Harry Potter vor und nachmittags beim Schwimmtraining schwamm ich meine persönliche Bestzeit über 50 Meter Freistil.
    Eigentlich hätte es mich stutzig machen müssen, dass sich der Montag so zahm und freundlich gab. Ein Montag ohne Ärger und schlechte Laune? Das gibt’s doch gar nicht! Ich hätte wissen müssen, dass Montage äußerst hinterhältig sind und dass dieser spezielle Montag der hinterhältigste von allen war. Erst verhielt er sich ruhig und sammelte all seine Kräfte, um mir dann, als ich am wenigsten damit rechnete, plötzlich an die Gurgel zu springen.
    Aber ich schöpfte keinen Verdacht. Der Montag versuchte, mich in Sicherheit zu wiegen, und das gelang ihm auch. Als ich nach dem Schwimmtraining im Bus saß und zurück nach Tupfingen fuhr (das ist das Dorf, in dem wir wohnen), pfiff ich vor mich hin und dachte an Bastian.
    Bastian geht auf unsere Schule, eine Klasse über mir, und ist in meinem Schwimmverein. Er ist ziemlich gut und sahnt bei den Wettkämpfen immer jede Menge Preise ab. Außerdem hat er mir einmal geholfen, als mir in der Schule meine Federmappe aus dem Rucksack gefallen ist und sich meine tausend Stifte über den ganzen Flur verteilt haben. So was passiert mir ständig. Ich lasse am laufenden Band Sachen fallen und schmeiße Gläser, Flaschen oder Kaffeekannen um. Mama meint, dass ich zu viel Energie habe. Bei uns zu Hause regt sich schon lange keiner mehr darüber auf und mir ist es auch nur noch in
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