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Alle lieben Emma

Alle lieben Emma

Titel: Alle lieben Emma
Autoren: Maja von Vogel
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eben selbst beruhigen. »Jetzt geht er zu Mama. Bestimmt will er sich wieder mit ihr vertragen. Vielleicht sind sie ja auch nur ins Atelier gegangen, weil sie dich mit ihrem Geschrei nicht bei den Hausaufgaben stören wollten. Kann doch sein, oder?«
    »Ja, vielleicht«, sagte Tim. Aber er sah nicht so aus, als wenn er es wirklich glauben würde.
    Draußen knatterte ein Mofa. Klaus kam nach Hause. Er raste mit Vollgas auf den Hof und legte dann, kurz bevor er gegen die Hauswand krachte, eine Vollbremsung hin. Klaus ist mein anderer Bruder. Meistens vergesse ich allerdings lieber, dass er zu unserer Familie gehört. Klaus ist sechzehn und so ziemlich der unerträglichste Typ, den ich kenne.
    Er stieg von seinem gammeligen Mofa, als wäre es eine Honda, nahm den Helm ab und schüttelte seine Haare. Klaus lässt sich nämlich nicht mehr die Haare schneiden, weil er findet, dass lange Haare viel cooler sind. Bloß dass sie bei ihm nicht richtig wachsen wollen und er mit seinem herausgewachsenen Stufenschnitt noch bescheuerter aussieht als sonst.
    Kein Wunder, dass kein Mädchen aus seiner Klasse was von ihm wissen will. Sobald Mädchen in der Nähe sind, tut Klaus immer besonders cool. Manchmal läuft er sogar mit Sonnenbrille über den Schulhof. Das muss man sich mal vorstellen! Aber ich glaube nicht, dass das den Mädchen besonders gefällt. Meistens kichern sie nur, wenn sie ihn sehen.
    »Ich mach mir was zu essen«, sagte ich zu Tim. Nach dem Training habe ich immer riesigen Hunger. »Kommst du mit?«
    Tim nickte.
    Als wir am Küchentisch saßen und ein Nutellabrot nach dem anderen in uns hineinstopften, öffnete sich die Tür und Klaus kam herein. Natürlich machte er sich nicht die Mühe, uns zu begrüßen. Meistens tut er einfach so, als wären wir nicht da. Er ging direkt zum Kühlschrank, schnappte sich ein Glas mit Rollmöpsen, ließ sich auf einen Stuhl fallen, fischte mit den Fingern einen Rollmops nach dem anderen aus dem Glas und schob sie sich in den Mund. Als er den letzten Rollmops gegessen hatte, stellte er das leere Glas auf den Tisch, wischte sich die fischigen Finger an seiner speckigen Lederhose ab und rülpste laut. Was für ein Schwein!
    Dann richtete er plötzlich seinen Blick auf Tim und mich und fragte: »Wollt ihr verreisen?«
    Ich fand die Frage so bescheuert, dass ich als Antwort nur die Augen verdrehte. Klaus’ Gehirn scheint irgendwie anders zu ticken als das normaler Menschen. Wenn er den Mund aufmacht, habe ich meistens keinen blassen Schimmer, was er von mir will. Zum Glück redet er nicht besonders viel.
    Tim ließ sich von Klaus’ merkwürdiger Frage nicht aus der Ruhe bringen. Erst kaute er den letzten Bissen seines Nutellabrotes zu Ende, dann schluckte er ihn hinunter und antwortete: »Nein, nicht, dass ich wüsste.«
    Klaus nickte und pustete sich seinen zu lang gewordenen Pony, der ihm immer über die Augen fällt, aus der Stirn. Ich habe keine Ahnung, wie er es schafft, nicht ständig irgendwo gegen zu laufen.
    »Dann ist das also nicht euer Koffer, der da auf dem Flur steht«, stellte er fest.
    »Was denn für ein Koffer?«, fragte ich.
    Ehe Klaus antworten konnte, öffnete sich die Küchentür und Papa kam herein. Er trug einen großen, ziemlich verstaubten Koffer. Ich erinnerte mich dunkel daran, den Koffer irgendwann schon einmal gesehen zu haben. Vielleicht im Atelier oder im Schuppen. So lange ich zurückdenken kann, sind wir noch nie richtig in den Urlaub gefahren. Darum benutzen wir unsere Koffer nicht besonders oft. Wenn wir Oma besuchen, schmeißt Mama einfach immer alles, was wir brauchen, in eine alte Reisetasche mit furchtbar hässlichem Blümchenmuster.
    Papa stellte den Koffer neben sich auf dem Boden ab und blieb vor dem Küchentisch stehen. Er fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht, das ganz stoppelig war. Papa rasiert sich nämlich nicht besonders oft.
    »Ah, da seid ihr ja«, sagte er, ohne einen von uns direkt anzusehen. »Schön, schön, das ist sehr gut. Alle zusammen, ja. Ich wollte nämlich mal kurz mit euch reden …«
    Der Rest wurde zu einem unverständlichen Gemurmel. Schließlich klappte Papa den Mund wieder zu und kratzte sich mit einer ratlosen Handbewegung am Kopf.
    »Das ist also dein Koffer«, schloss Klaus messerscharf. »Willst du verreisen?«
    Ich schaute verwirrt von Klaus zu Papa und von Papa zu dem alten Koffer. Verreisen? Papa? So plötzlich? Davon wusste ich ja gar nichts.
    »Äh, nein, ich will nicht verreisen, also, die Sache ist
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