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Alle lieben Emma

Alle lieben Emma

Titel: Alle lieben Emma
Autoren: Maja von Vogel
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Mama hat mal wieder nur geseufzt und den Kopf geschüttelt, als ich es ihr gezeigt habe. Deshalb wusste ich eigentlich schon, dass ich es nicht bekommen würde. Aber ich hab gedacht, vielleicht geschieht ja noch ein Wunder und Papa bekommt ganz viel Geld für eins seiner Bilder. Man soll die Hoffnung nie aufgeben, sagt Oma immer.
    Aber natürlich war das Quatsch mit dem Wunder. Papa hat kein Bild verkauft und ich hab nur so eine gebrauchte Möhre vom Flohmarkt bekommen. Ich hab versucht, so zu tun, als würde ich mich trotzdem freuen, aber das hat nicht so richtig geklappt. Mama und Papa haben zumindest ganz bedröppelt geguckt. Da taten sie mir plötzlich furchtbar Leid und ich hab gleich ein paar Proberunden auf dem Hof gedreht und gerufen, dass das Fahrrad super in Schuss ist. Dabei war es saukalt draußen.
    So ist das also mit dem Geld bei uns.
    Während ich die Haustür aufschloss, wurden die Stimmen im Atelier immer lauter. Irgendwie hörten sie sich anders an als sonst. Ich weiß gar nicht so genau, warum. Ich glaube, sie klangen bedrohlich. Wie das Donnergrollen vor einem heftigen Gewitter. Leider konnte ich nicht verstehen, was Mama und Papa sagten. Aber ich hatte plötzlich den Eindruck, dass es um mehr ging als sonst. Ich bekam eine Gänsehaut und ging schnell ins Haus.
    Tim hockte wie üblich in seinem Zimmer und schraubte an seinem Computer herum. Den hat er für zehn Euro auf dem Flohmarkt gekauft, weil das Ding uralt und kaputt war. Aber Tim hat so lange daran herumgebastelt, bis es wieder funktionierte. Allerdings gibt der Kasten in regelmäßigen Abständen seinen Geist auf, sodass Tim ständig damit beschäftigt ist, ihn wieder zum Laufen zu bringen. Meiner Meinung nach ist es ja komplette Zeitverschwendung, sich stundenlang mit so einem blöden Computer abzugeben, aber die Geschmäcker sind eben verschieden.
    »Bin wieder da«, sagte ich und blieb an der Tür zu Tims Zimmer stehen.
    Eigentlich ist es eher ein Zimmerchen. Tim hat es randvoll gestopft mit allem möglichen Technikkram, den er sich auf Flohmärkten zusammensucht. Alte Bildschirme, Computer-Ersatzteile und tausend andere Sachen, von denen ich noch nicht einmal die Namen weiß. Weil die Regale schon überquellen, liegen auch sein Bett und der Fußboden voll mit dem Zeug. Ein richtiges Computer-Ersatzteillager.
    »Hallo, Emma«, sagte Tim und sah von seinem Rechner auf, aus dessen Innerem jede Menge Kabel hervorquollen. »Wie war’s beim Training?«
    »Prima«, antwortete ich. »Ich hab eine neue Bestzeit geschafft.«
    Tim lächelte mir zu. »Toll, herzlichen Glückwunsch!«
    Das ist das Nette an Tim. Eigentlich interessiert er sich genauso wenig fürs Schwimmen, wie ich mich für Computer. Aber trotzdem erkundigt er sich immer, wie es war. Und wenn wir einen Wettkampf in Dederstadt haben, kommt er jedes Mal mit, um mich anzufeuern.
    Die Haustür wurde geöffnet und kurz darauf so heftig zugeknallt, dass die Fensterscheiben in Tims Zimmer erzitterten. Dann lief jemand die Treppe hinauf und verschwand im Schlafzimmer. Klang nach Mamas Schritten.
    Tim und ich sahen uns an.
    »Dicke Luft, was?«, fragte ich.
    Tim nickte und machte ein düsteres Gesicht. »Das geht schon den ganzen Nachmittag so. Erst haben sie sich in der Küche gestritten, dann sind sie ins Atelier gegangen.«
    Wir wussten beide, was das bedeutete. Wenn unsere Eltern zum Streiten ins Atelier gingen, war die Lage ernst. Denn dann wollten sie nicht, dass wir mitbekamen, worum es ging. Bei dem üblichen Geldthema war ihnen das normalerweise egal.
    Durch Tims Fenster sah ich, wie Papa aus dem Atelier kam und über den Hof zum Haus ging. Er ließ die Schultern hängen und sein Gesicht war ungewöhnlich ernst.
    Ich schluckte. »Sie vertragen sich doch wieder, oder?«
    Eigentlich hatte ich das nur gefragt, damit Tim sagen konnte, dass sich unsere Eltern natürlich wieder vertragen würden. Sie waren zwar beide ziemlich aufbrausend, aber dafür auch nicht besonders nachtragend. Normalerweise versöhnten sie sich noch am selben Tag wieder. Der längste Streit, den sie bisher gehabt hatten, hatte gerade mal zwei Tage gedauert.
    Doch Tim sagte nichts. Er zuckte nur mit den Schultern und schwieg.
    Wir hörten, wie Papa die Treppe hinaufging und ebenfalls im Schlafzimmer verschwand. Seine Schritte klangen schwer.
    Trotzdem versuchte ich mir einzureden, dass dies ein ganz normaler, harmloser Streit war, der nichts zu bedeuten hatte. Und weil Tim immer noch nichts sagte, musste ich mich
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