Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
weiß? Schlimmer für David Cummins ist, dass die Frau, die Chris Cummins hat erschießen lassen, die Liebe seines Lebens war. Er hatte sie schon vor langer Zeit einmal verloren und jetzt wieder.«
    »Das ist furchtbar.« Melrose warf Joey ein Stöckchen zum Apportieren, was der Hund aber nicht tat, sondern an Jurys Seite munter weiterlief.
    »Ich weiß gar nicht, warum der Sie lieber mag als mich«, sagte Melrose.
    »Weil ich ihn nicht Aggro nenne.« Jury überlegte, ob Joey sich vielleicht an den dunklen Türeingang erinnerte, wo er ihn gefunden hatte, und an den Hamburger, den er gekauft hatte, um ihn damit zu füttern, und an Dr. Kavitz und an Joely von True Friends.
    Es war an dem Abend gewesen, nachdem Jury im St. Bart Hospital gewesen war, nach seinem Besuch bei Lu. Der Abend, an dem er richtig mit ihr gesprochen hatte. Das gestern zählte nicht.
    Nach seinem Mittagessen mit Phyllis war er ins Krankenhaus gegangen, den gleichen weißen Korridor entlang, mit dem gleichen Gefühl von Unzulänglichkeit – schlimmer noch, der Furcht, wieder das Falsche zu fühlen.

    Entweder war es kalt im Raum oder er hatte die Kälte mit hereingebracht. Er fröstelte in seinem leichten Regenmantel.
    Sie lag genauso da wie beim letzten Mal, als hätte sie keinen Finger gerührt, seitdem er sie zuletzt gesehen hatte. Sie sah aus wie erfroren, daher sein Frösteln. Das Gewirr aus Kabeln und Schläuchen führte zu dem Ding, das sie am Leben hielt oder ihre Körperfunktionen aufzeichnete.
    Er zog sich den Stuhl herüber, saß lange bei ihr und wachte, wie lange, wusste er nicht. Als er wieder ging, war es fast dunkel.
    Wie er mit ihr zusammen gewesen war, vor dem Unfall, das ging ihm wirr im Kopf herum. Ihre Haut, ihre Lippen, ihre Hände auf ihm. Ihr schwarzes Haar.
    Er griff nach ihrer Hand. »Wach auf, Lu.«
     
    Mindy lag schlafend im Hof und machte die Augen erst auf, als Melrose und Jury sich näherten. An Joey, der schnüffelnd umherstreifte, zeigte sie jedoch gleich Interesse.
    Keiner von ihnen konnte begreifen, weshalb die Hündin Mindy so an der Vergangenheit hing. Früher hatte sie dem Besitzer des Man with a Load of Mischief gehört, der das Tier natürlich im Stich gelassen hatte, so wie er alles andere im Stich gelassen und sich nicht weiter geschert hatte: Pub, Leute, Ehre, Anstand.
    Sie standen vor der Fachwerkfassade des verwinkelten Gebäudes, von dem die ehemals weiße Farbe abblätterte. Die Hintertür versank im Erdboden. Die kleinen Bleiglasfenster waren völlig verdunkelt von den Ranken, die wild um sie herumwucherten. Das Haus war seit Jahren nicht bewirtschaftet.
    »Ein hübsches altes Pub, mit einem gewissen Charme auch, trotz seiner glücklosen letzten Tage«, sagte Melrose.
    »Ich finde ja, Sie sollten zusammenlegen und es kaufen. Dann können Sie alle herumhocken und sinn- und zweckloses Zeug reden, wann immer Sie wollen.«

    Melrose war entrüstet, aber nicht wegen ihrer aller Sinn- und Zwecklosigkeit. »Sie können die Dinge doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts ändern. Sie können doch die Mise-en-scène nicht verändern. Nein, wir müssen am gleichen Tisch sitzen, auf den gleichen Stühlen, mit der gleichen alten, im Hintergrund leise tickenden Standuhr …«
    »Was für eine Standuhr denn? An eine Standuhr erinnere ich mich gar nicht.«
    »Schon gut, die habe ich dazu erfunden. In Geschichten gibt es doch immer eine alte Standuhr. Worauf ich hinauswill: Wenn Sie anfangen, da was zu verändern, dröselt sich das ganze Gewebe auf. Na komm, Mindy.«
    Mindy rappelte sich hoch, kam aber nicht.
    »Reden Sie doch keinen Unsinn: Das würde sich nicht mal aufdröseln, wenn der Jack and Hammer in tausend Stücke zerbersten würde. Vorausgesetzt, Sie und Ihre Bande lungern drinnen nicht faul herum. Sie würden sich doch sowieso wieder alle um irgendeinen Felsklotz versammeln. Ja, Sie wären imstande und würden in Stonehenge zusammenkommen, wenn kein anderer Ort verfügbar wäre.«
    Sie hatten das Pub hinter sich gelassen und schritten die Landstraße entlang in Richtung Ardry End, Mindy hintendran und Joey in langsamem Tempo neben der alten Hündin.
    Melrose sagte: »Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe.«
    Das fand Jury nun wiederum nicht, ihm gefiel die Vorstellung. Lagen in Stonehenge nicht ein paar große Felsbrocken herum, die als Tisch dienen konnten? Er wandte sich um und schaute zurück zum Man with a Load of Mischief und war irgendwie froh, dass es unbewirtschaftet geblieben war. Als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher