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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
Autoren: Martha Grimes
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schütter werdendes Haar. Jury schätzte ihn auf Ende sechzig. »Ich könnte schwören, ich hab sie schon mal gesehen.«
    Diese Bemerkung überraschte Jury, da ein gewisses Mitgefühl aus den Worten des Arztes herauszuhören war, das er bis dahin nicht an den Tag gelegt hatte.
    »Sie kommt Ihnen also bekannt vor.« Das war doch wenigstens schon mal etwas.
    »Ja. Irgendwie schon. Vielleicht stammt sie von hier. Wenn nicht aus Chesham, dann vielleicht aus Amersham, Berkhamsted … na ja, Sie wissen schon.«
    »Ich kenne mich in der Gegend nicht aus.«
    Der Arzt zog das Laken hoch und ließ es über das Gesicht der Toten fallen. »Und warum sind Sie dann hier?«

2. KAPITEL
    Es war die gleiche Frage, die Jury gestellt und die Detective Chief Superintendent Racer beantwortet hatte, mehr oder weniger jedenfalls. »Weil sie darum gebeten haben.«
    Ach tatsächlich, dachte Jury. Er wartete auf Racers weitere Ausführungen. Die aber nicht kamen. »War’s das? Ist das alles? Wer sind ›sie‹? Und warum? Die Polizei von Thames Valley ist die Beste, auf jeden Fall landesweit die Größte außerhalb von London. Und die soll uns brauchen?«
    Racer schlug unwirsch mit der Hand nach Jury, dem Einfaltspinsel. »Nein, nein. Die sind selbstverständlich absolut fähig. Der Chief Constable ist ein Freund von mir. Er hat um äußerste Diskretion gebeten. Sie wissen ja, wie das so ist.« Er begann, die Papiere auf seinem Schreibtisch herumzuschieben, was gar nicht so einfach war, da es nur drei oder vier waren.
    Wieder wartete Jury ab. Das »Warum?« hing immer noch in der Luft, obwohl er offenbar der Einzige war, der das merkte. Er ließ es dabei bewenden. »Wann ist denn das alles passiert?«
    »Sie meinen, der Mord an dieser Frau? Samstagabend, so weit sie festgestellt haben.«
    Jury sah ihn an. »Heute ist Montag.«
    »Ich habe einen Kalender, Mann. Ich weiß, welcher Tag heute ist.« Noch mehr Papiergeschiebe.
    Außerdem wusste er sehr gut, wie kalt die Spur inzwischen war.
    Racer funkelte ihn wütend an. »Tut mir leid, dass wir keine taufrische Leiche für Sie haben, Freundchen. Aber so ist es nun mal. Es wurde schon genug Zeit verschwendet …«

    Als ob Jury der Zeitverschwender wäre.
    »Dann machen Sie sich jetzt mal auf die Socken. Die hängt schon eine ganze Weile in der Warteschleife.«
    Warteschleife! Als hätte die Ärmste einen Telefonanruf getätigt statt ermordet zu werden.
    »Chesham ist in der Nähe von Amersham in Buckinghamshire. Ich rufe bei der Polizei dort kurz an, damit jemand Sie abholt.«
    »Das ist also alles, was Sie mir zu der Ermordeten sagen können? Aber wenn die Polizei von Thames Valley nicht weiß, wer sie ist, sehe ich eigentlich nicht ein, wieso man diskret sein müsste.«
    »Sie selbst sind ja auch nicht gerade ein Meister der Diskretion, Mann!«, kam die völlig unlogische Erwiderung.

3. KAPITEL
    Detective Sergeant David Cummins von der Kriminalpolizei Thames Valley holte Jury an der U-Bahnstation Chesham ab. Für Ortsansässige, die in London arbeiteten, war die U-Bahn ein Geschenk des Himmels. Dass einem dadurch der Londoner Autoverkehr erspart blieb, war ein wahres Wunder. Außerdem konnte der erschöpfte Geschäftsmann hier draußen fast auf dem Lande ein idyllisches Leben führen.
    Sergeant Cummins war freundlicherweise in das Café neben dem Bahnhof gesaust, um Jury einen kleinen Imbiss zu besorgen. Cummins war offenkundig schwer beeindruckt, nicht nur, einen Kriminalpolizisten von New Scotland Yard dazuhaben, sondern sogar einen Superintendenten. Sehr viel höher ging es nicht.
    Jury sah davon ab, ihm zu sagen, dass sein Chef noch eine Stufe höher war. Er überlegte, wann Racer eigentlich das letzte Mal tatsächlich an einem Fall gearbeitet hatte.
    »Was können Sie mir erzählen?«
    Cummins holte tief Luft, als wollte er gleich eine lange und komplizierte Geschichte vom Stapel lassen. »Nicht viel, Sir. Ein Taxi hat sie am Bahnhof Chesham mitgenommen, sollte sie am Black Cat absetzen, sagte er, und dass er so nah ranfuhr, wie er konnte, weil sie dort bei den Bauarbeiten doch die Rohre freigelegt haben, an der Straße vor dem Pub.«
    Cummins fuhr fort: »Von einer Party oder so was hätte sie nichts gesagt, meinte er. Sie werden wahrscheinlich mit ihm reden wollen. Die Leiche wurde von einer Frau gefunden, die dort mit ihrem Hund spazieren war, einer gewissen Emily Devere.«

    »Jemand aus dem Ort?«
    »Nein. Sie wohnt im Amersham.«
    »Ihren Hund hat sie aber in Chesham
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