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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
Autoren: Martha Grimes
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hoch. Er wollte mal gucken, wo sie eigentlich waren, denn sein Instinkt sagte ihm, dass der Enterich falsch fuhr …
    Slough? Was um alles in der Welt hatten sie denn in Slough verloren? Er sah zu, wie der Wagen zweimal um den Kreisverkehr rasselte. Der Enterich hatte nicht die blasseste Ahnung, wo – da, schon wieder – verpasst!
     
    LONDON RING ROAD
M4 M25 M40
     
    Schon wieder verpasst! Was war eigentlich los mit diesen Menschenwesen? Hatten die keinen Orientierungssinn? Hatten die keine Straßenkarten im Kopf? Liebe Güte, selbst Aale konnten von Europa nach Bermuda schwimmen, Chrysippusfalter von Kanada nach Mexiko fliegen, jede Kuh auf der Weide konnte den geographischen Norden bestimmen – aber der Enterich fand nicht mal aus Slough hinaus?
    Mungo rutschte auf dem Sitz hinunter und wieder zur Box. Dann konnte er jetzt ja auch ein Nickerchen machen. Die Sache würde sowieso den Bach runtergehen.
    Er kroch wieder in die Box und machte sich nicht mal die Mühe, für dieses jämmerliche Exemplar der menschlichen Rasse die Laschen festzuziehen.
    Und der Enterich fuhr weiter.

64. KAPITEL
    Rose Moss kam an die Tür. Sie sah genauso aus wie damals, als Jury sie zum ersten Mal gesehen hatte: Hängerkleidchen, Rattenschwänzchen, die Füße allerdings in einem anderen Paar flauschiger Pantoffeln, diesmal weiß mit Schlappohren. Einen Augenblick überlegte Jury, ob er sich nicht geirrt hatte, ob das hier wirklich die Frau war, die im Cigar mit ihm zusammengesessen hatte, die Frau, die einen Menschen umgebracht hatte, möglicherweise zwei.
    »Hallo, Rose.«
    Erst sah es so aus, als würde sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, dann besann sie sich eines Besseren und hielt sie stattdessen weiter auf. »Ha, sind Sie wieder da und wollen mich fertigmachen, was?«, sagte sie, als er eintrat.
    Er lächelte. »Ja.«
    »Also, ich trink erst mal einen. Wenn Sie auch was wollen.«
    »Nichts dagegen. Whisky ist okay.«
    »Ha! Sie sind ja einer. Umso besser, was andres hab ich nämlich nicht.«
    Jury warf seinen Mantel auf einen Stuhl und sah, wie sie auf den kleinen Serviertisch zuging, auf dem die Flaschen standen. Wie konnte die Frau vom Cigar, die Füße mit Louboutin-Highheels beschuht, hier jetzt Häschenpantoffeln tragen?
    »Rose …«
    »Wie bitte? Für Sie Adele, Schätzchen.«
    »Ah, dann sind wir also keine Freunde mehr?«
    Sie gab ihm ein Glas, in dem der kupferfarbene Whisky kaum den Boden bedeckte. »Auf bessere Zeiten!«

    Jury erhob das Glas.
    Rose setzte sich mit ihrem halben Fingerbreit Whisky nicht zu ihm aufs Sofa, sondern in einen kleinen Sessel gegenüber.
    »Erzählen Sie mir von Stacy!«
    Ihr Glas verharrte auf dem Weg zum Mund. Sie legte die Beine anders übereinander. Die Schlappen waren übertrieben groß, wie Pingpongschläger.
    »Was soll’s da zu erzählen geben?«
    »Nun, sie hat immerhin fast ein halbes Jahr hier bei Ihnen gewohnt. Sie haben beide für Valentine’s gearbeitet. Sie kannten sie doch wohl ein bisschen besser als beim letzten Mal, als ich hier war? Sie wussten, dass sie Bobby Devlin heiraten wollte.«
    Sie schaute überallhin, nur nicht auf Jury. Sie wirkte versonnen.
    Jurys Schweigen zwang sie, ihn anzusehen. Schließlich sagte er: »Ich habe ihn kennengelernt, mit ihm gesprochen natürlich. Der Verdacht der Polizei richtet sich ja immer zuerst auf Familienmitglieder und Liebhaber. Ein netter Kerl, er war wirklich verliebt in Stacy, nur kannte er sie eben als Mariah Cox, die Dorf bibliothekarin.«
    Ihre Augen glitzerten metallisch. »Sie hat ihn nicht geliebt.«
    »Warum sagen Sie das? Sie hatte vor, ihn zu heiraten, hat sie jedenfalls ihrer Tante erzählt.«
    Sie schüttelte den Kopf nachdrücklich hin und her, die Augen fest geschlossen, wie Jury es bei Kindern gesehen hatte, wenn sie etwas energisch von sich weisen wollten. »Sie hat ihn nicht geliebt. Sie hat mich geliebt.« Sie klopfte sich mit den Händen gegen die Brust.
    Dieser Punkt musste deutlich herausgestellt werden, mit all seinen schrecklichen Konsequenzen. Alle Welt sollte es wissen: Welchen Betrug Stacy Storm auch begehen wollte, sie, Rosie, hatte den alleinigen Anspruch auf Stacy, und Mariah war bloß eine Maskerade, eine Figur, die Stacy erfunden hatte, um alle an der Nase herumzuführen.

    »Wer hat die Idee ausgebrütet, Rose? Sie oder Chris Cummins?«
    Rose lehnte sich zurück, drehte das Glas zwischen den Händen. Lange schwieg sie.
    Sie war nicht dumm. Jury wusste, dass sie die Situation abwog und sich
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