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Alibi

Alibi

Titel: Alibi
Autoren: Agatha Christie
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hielt ihr in gedrängter Kürze einen Vortrag über das Thema, dem sie mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte. Innerlich verdächtigte ich sie noch immer, etwas über Mrs. Ferrars in Erfahrung zu bringen.
    «Was zum Beispiel Veronal betrifft …», fuhr ich fort. Doch merkwürdigerweise schien Veronal sie nicht zu interessieren. Statt dessen lenkte sie ab und erkundigte sich, ob es richtig sei, dass es Gifte gebe, die nicht nachgewiesen werden könnten.
    «Oh!», sagte ich. «Sie haben sicher Detektivgeschichten gelesen.»
    Sie gab es zu.
    «Das Wesen einer Detektivgeschichte besteht darin», erläuterte ich, «ein seltenes Gift – wenn möglich aus Südamerika – zu besitzen, von dem noch niemand je gehört hat; ein Gift, in das ein unbekannter wilder Volksstamm seine Pfeile taucht. Der Tod erfolgt augenblicklich, und die Wissenschaft ist machtlos, es nachzuweisen. So etwas meinen Sie wohl?»
    «Ja, gibt es wirklich etwas Derartiges?»
    Bedauernd schüttelte ich den Kopf.
    «Ich fürchte, dass es das nicht gibt. Allerdings haben wir Curare.» Ich erzählte ihr noch einiges über Curare, doch schien sie wieder das Interesse verloren zu haben. Sie fragte, ob ich in meinem Giftschrank etwas vorrätig hätte, und als ich verneinen musste, sank ich augenscheinlich in ihrer Achtung. Dann verabschiedete sie sich.
    Nie hätte ich bei Miss Russell eine Vorliebe für Detektivgeschichten vermutet. Ich stellte mir mit Vergnügen vor, wie sie aus ihrem Zimmer herausstürzte, um ein pflichtvergessenes Mädchen zu schelten, und dann zurückkehrte, um sich beschaulich der Lektüre von Mord auf dem Golfplatz oder ähnlichem hinzugeben.

3
     
    B eim Lunch teilte ich Caroline mit, dass ich zum Dinner in Fernly eingeladen sei. Sie erhob keinen Einspruch – im Gegenteil.  
    «Ausgezeichnet», meinte sie. «Da wirst du alles erfahren. Übrigens, was ist eigentlich mit Ralph los?»
    «Mit Ralph?», fragte ich erstaunt. «Gar nichts.»
    «Weshalb wohnt er dann in den ‹Three Boars› statt in Fernly Park?»
    Die Richtigkeit der Angabe, dass Ralph im Gasthof des Ortes wohne, bezweifelte ich keine Minute. Dass Caroline es behauptete, genügte mir.
    «Ackroyd sagte, er sei in London», entgegnete ich. In momentaner Überraschung ließ ich meine sonstige Gewohnheit außer acht, empfangene Neuigkeiten nie weiterzugeben.
    «Oh!», entgegnete Caroline, und ich konnte sehen, wie ihre Nasenflügel bebten.
    «Gestern früh traf er in den ‹Three Boars› ein», sagte sie. «Und er ist immer noch dort. Gestern Abend ging er mit einem Mädchen aus.»
    Dies überraschte mich gar nicht. Ich möchte sogar behaupten, dass Ralph die meisten Abende seines Lebens mit Mädchen verbringt. Doch wundert es mich, dass er gerade King’s Abbot wählte, um diesem Zeitvertreib zu frönen.
    «Eine der Kellnerinnen?», fragte ich.
    «Nein. Das ist es eben. Er traf außerhalb des Hauses mit ihr zusammen, und ich weiß nicht, wer es war.» (Wie bitter für Caroline, so etwas zugeben zu müssen!) «Aber ich kann es erraten», fuhr meine unermüdliche Schwester fort.
    Ich wartete geduldig.
    «Seine Kusine.»
    «Flora Ackroyd?», rief ich erstaunt.
    Flora Ackroyd ist natürlich mit Ralph gar nicht verwandt, doch gilt Ralph seit so langer Zeit als richtiger Sohn Ackroyds, dass sie als verwandt gelten.
    «Flora Ackroyd», wiederholte meine Schwester.
    «Warum geht er nicht nach Fernly, wenn er sie sehen will?»
    «Heimlich verlobt», sagte Caroline mit Genugtuung. «Der alte Ackroyd will nichts davon wissen, und daher müssen sie auf diese Weise zusammenkommen.»
    Eine unschuldige Bemerkung über unseren neuen Nachbarn schuf Ablenkung.
    Das Haus neben uns war kürzlich von einem Fremden gemietet worden. Zu Carolines größtem Ärger konnte sie nichts anderes über ihn erfahren, als dass er Ausländer sei. Ihre Nachrichtentruppe erwies sich diesmal als unsicher. Vermutlich bezieht der Mann Milch und Gemüse, Fleisch und gelegentlich Fische so wie alle anderen Menschen, doch scheint keiner der Lieferanten Wissenswertes erfahren zu haben. Anscheinend heißt er Poirot, ein Name von seltsam ausländischem Klang. Das einzige, was sie über ihn wissen, ist, dass er Kürbisse züchtet.
    Doch das genügte meiner Schwester nicht. Sie möchte wissen, woher er kommt, was er treibt, ob er verheiratet ist, was für eine Frau er hat, ob Kinder da sind, wie seine Mutter mit Mädchennamen hieß – und so fort.
    «Liebste Caroline», sagte ich, «der frühere Beruf dieses Mannes
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