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Alibi

Alibi

Titel: Alibi
Autoren: Agatha Christie
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anvertraut. Zufällig war ich auf falscher Fährte. Aber selbst nach dem Betreten von Ackroyds Arbeitszimmer dachte ich noch daran, bis Ackroyd mir die Wahrheit enthüllte. Armer, alter Ackroyd! Ich freue mich, ihm noch eine Chance geboten zu haben. Ich drängte ihn, jenen Brief zu lesen, ehe es zu spät war. Oder, wenn ich ehrlich bin – erkannte ich nicht unbewusst, dass bei einem Dickkopf wie ihm dies die beste Methode war, ihn vom Lesen abzuhalten? Für den Arzt war seine nervöse Erregung interessant. Er fühlte schon die nahende Gefahr. Und doch hegte er nicht den geringsten Verdacht gegen mich.
    Der Dolch war erst ein nachträglicher Einfall. Ich hatte eine eigene, sehr handliche kleine Waffe mitgebracht, doch als ich den Dolch in der Vitrine liegen sah, fiel mir gleich ein, dass es viel klüger sei, eine Waffe zu verwenden, die nicht auf mich zurückgeführt werden konnte. Ich glaube, ich muss mich schon längst mit dem Mordgedanken getragen haben. Sobald ich von Mrs. Ferrars’ Tod hörte, war ich überzeugt, sie habe Ackroyd zuvor noch alles anvertraut. Als ich ihn traf, er so erregt schien, dachte ich, er kenne die Wahrheit, könne sich aber nicht entschließen, sie zu glauben, und gebe mir deshalb eine Gelegenheit, sie zu widerlegen.
    So ging ich heim und traf meine Vorbereitungen. Wären seine Sorgen und sein Ärger durch Ralph veranlasst worden – nun, dann lebte Ackroyd heute noch. Aber so? Zwei Tage vorher hatte er mir das Diktiergerät gegeben, an dem irgendetwas nicht in Ordnung war. Ich überredete ihn, mich einen Versuch damit machen zu lassen, statt es an die Fabrik zurückzusenden. Ich tat, was ich daran machen wollte, und nahm es an jenem Abend in meiner Tasche mit.
    Ich bin mit mir als Schriftsteller recht zufrieden. Was könnte besser ausgedrückt sein als Folgendes:
    «Zwanzig Minuten vor neun erhielt er den Brief. Zehn Minuten vor neun verließ ich ihn, ohne dass er den Brief gelesen hatte. Ich zögerte, die Klinke in der Hand, und blickte nochmals zurück, um mich zu überzeugen, ob ich nicht noch etwas vergessen hatte.»
    Alles wahr. Aber angenommen, ich hätte nach dem ersten Satz einige Gedankenstriche gemacht! Hätte sich dann nicht jemand gefragt, was in jenen nicht beschriebenen zehn Minuten geschah?
    Als ich das Zimmer von der Tür aus überblickte, war ich vollkommen zufrieden. Nichts war versäumt worden. Das Diktiergerät stand auf dem Tisch vor dem Fenster und war so aufgestellt, dass es um halb zehn ablaufen musste; der Mechanismus der kleinen Erfindung war eigentlich sehr klug konstruiert und beruhte auf dem Prinzip eines Weckers. Der Lehnstuhl war vorgezogen, damit der Apparat von der Tür aus nicht gesehen werden konnte.
    Ich muss zugeben, ich erschrak, als ich vor der Tür mit Parker zusammenstieß. Wahrheitsgemäß vermerkte ich die Tatsache.
    Dann später, als der Leichnam entdeckt und Parker ans Telefon geschickt worden war, um die Polizei zu verständigen – wie klug setzte ich da die Worte: «Ich tat das wenige, was zu tun übrigblieb.» Es war wirklich wenig, nämlich das Diktiergerät in meiner Tasche zu versenken und den Stuhl an seinen richtigen Platz zu schieben. Ich ließ mir nicht träumen, dass Parker die Stellung des Sessels bemerkt haben könnte. Logischerweise hätte er mit dem Leichnam so beschäftigt sein müssen, dass er für alles andere blind war. Aber ich hatte eben nicht mit der Mentalität eines gut geschulten Butlers gerechnet.
    Ich wünschte, ich hätte Floras Aussage, sie habe ihren Onkel noch um drei viertel zehn Uhr am Leben gesehen, voraussehen können. Sie verblüffte mich mehr, als ich sagen kann. Tatsächlich kamen im Verlauf des Falles viele Dinge vor, die mich hoffnungslos bestürzt machten. Jeder schien irgendwie beteiligt zu sein.
    Aber die ganze Zeit über war Caroline meine größte Angst. Ich bildete mir ein, sie werde alles erraten. Sonderbar, wie sie damals von meiner «Schwäche» sprach.
    Gut, dass sie niemals die Wahrheit erfahren wird. Es gibt, wie Poirot sagt, einen Ausweg …
    Ich kann mich auf ihn verlassen. Er und Inspektor Raglan werden es untereinander ausmachen. Ich möchte nicht, dass Caroline etwas erfährt. Sie hat mich gern, und dann ist sie auch so stolz … Mein Tod wird ihr Kummer bereiten, doch Kummer vergeht …
    Wenn ich mit dem Schreiben fertig bin, verschließe ich das ganze Manuskript in einem Umschlag und sende es an Poirot. Und dann, was dann? Veronal? Das ergäbe eine Art poetische Gerechtigkeit. Nicht,
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